Richard Dübell
besser so.«
»Mama ist immer ganz ruhig, wenn sie mit dir zusammen ist«, sagte Julia.
Peter blickte das junge Mädchen überrascht an. »Woher willst du das wissen?«, fragte er unwillkürlich.
»Sagt sie selbst. Und sie hat mir bei Todesstrafe verboten, es dir zu verraten.« Julia grinste übers ganze Gesicht.
»Na ja …«
»Kein Grund zur Verlegenheit. Mama hat was für dich übrig, und du magst sie ja auch, oder nicht?«
Peter suchte nach Worten.
Julia winkte ab. »Du hast doch so eine große Wohnung. Mitten in der Stadt! Warum fragst du sie nicht, ob wir bei dir einziehen wollen? Stimmt das, dass man von deinem Balkon direkt auf die Dult runtersehen kann?«
»Am besten vom Klofenster aus«, stammelte Peter, der das Gefühl hatte, in den letzten Sekunden von einem zutraulich lächelnden Tieflader überrollt worden zu sein, dessen Fahrer danach den Rückwärtsgang eingelegt hatte und erneut über ihn hinwegdonnerte.
»Geil«, sagte Julia. »Unser Klo hat nicht mal ein Fenster!«
Eine Bewegung bei der Wohnungstür ließ Peter aufblicken. Harald Sander trat in den Gang heraus, erblickte Julia und Peter, und das Lächeln, das er aufgesetzt hatte, erlosch. Peter straffte sich.
»Haben Sie geklingelt?«, fragte Harald.
»Wenn’s kein Klingelstreich war, muss ich es wohl gewesen sein«, sagte Peter.
Harald kam über den Gang auf ihn zu. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und musterte Peter ungnädig. »Was gibt’s? Sie hätten Robert in der Dienststelle erwischen können, er hat sich dort in einem Büro eingenistet.«
Peter blickte zu ihm auf. Bislang war ihm gar nicht aufgefallen, dass Harald Sander eine Handbreit größer war als er, und diese eine Erkenntnis reichte, um den Zorn wieder hervorzurufen, den er seit der Entdeckung von Natalies Leiche empfunden hatte. »Was bringt Sie darauf, dass ich zu Ihnen will?«, fragte er.
»Flora hat dienstfrei.«
»Ich auch.«
Harald sah ihn nachdenklich an. »Wie kann ich Ihnen sagen, dass Sie hier überflüssig sind, ohne unhöflich zu werden?«
Peter, der sich mit einer verlegenen Entschuldigung vom Acker gemacht hätte, wenn Flora so etwas zu ihm gesagt hätte, verzog das Gesicht. »Üben Sie’s doch zuerst mal an sich selbst«, sagte er.
Er spürte, dass Julia einen Schritt zurücktrat. Er wandte sich zu ihr um. Sie sah von einem der beiden Männer zum anderen. Erschrocken erkannte Peter, dass Tränen in ihren Augen schimmerten.
Sie hob die Hände, dann ließ sie sie wieder sinken. »Hey, Alter«, sagte sie, ohne einen von ihnen anzusehen, »jetzt fangt ihr auch noch an. So einen Mist braucht doch kein Mensch.« Ruckartig drehte sie sich um, stapfte um Harald Sander herum, rief noch: »Mama, wenn es die nächste halbe Stunde klingelt, mach bloß nicht auf!«, und ließ die Tür krachend hinter sich ins Schloss fallen.
Peter starrte die geschlossene Tür an. Er fühlte sich wie ein Idiot.
»Verdammt noch mal«, sagte Harald Sander. Er klingelte an der Wohnungstür. Undeutlich konnte man Julias Stimme dahinter hören, die rief: »Geht weg, alle beide!«
»Flora, mach sofort auf«, sagte Harald. Er klingelte erneut, dann klopfte er an die Tür. »Flora!«
»Es ist Julia, die die Tür zugeknallt hat, nicht Flora«, sagte Peter.
»Flora, mach auf, verdammt!«, rief Harald und klingelte abermals.
»Zücken Sie doch mal Ihren Dienstausweis und rufen Sie: Aufmachen, im Namen des Gesetzes!«
Harald wirbelte zu ihm herum. »Hauen Sie endlich ab!«, zischte er. »Sie haben hier gar nichts verloren.«
Julia riss die Tür so plötzlich auf, dass Harald erschrocken einen Schritt zurücktrat. »Er hat mehr Recht, hier zu sein, als du!«, rief sie so laut, dass es im gesamten Gang widerhallte. »Er ist Mamas Freund, wenn du es genau wissen willst!«
»Julia!«, ertönte Floras wütende Stimme, aber da knallte Julia die Tür schon wieder zu. Es klang wie ein Kanonenschuss in dem gefliesten menschenleeren Gang.
Harald starrte die Tür an, dann drehte er sich zu Peter um. Peter, der mitten im Gang stehen geblieben war, begegnete seinem Blick, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Irgendwo tief in ihm jubelte eine Stimme: Sie hat sich zu mir bekannt! Eine andere Stimme, die des stets aufmerksamen Polizeibeamten, sagte: Hinter allen Türen stehen jetzt Nachbarn mit gespitzten Lauschern. Willst du Flora in ihrem Wohnblock unmöglich machen?
Es war diese Stimme, die Peter die Worte eingab: »Lassen Sie uns runtergehen und draußen
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