Richard Dübell
dass ihre schwarzen Strümpfe oben einen Spitzenbesatz hatten und dass sie keine Strumpfhose trug, sondern einzelne Strümpfe, die von Strapsen gehalten werden mussten.
»Arbeiten Sie schon Ihren Weihnachtsurlaub rein?«, fragte sie. »Ich habe gesehen, dass Sie dieses Wochenende eigentlich keinen Dienst haben.«
»Die Polizei ist immer im Dienst.«
» Labor omnia vincit , was?«, sagte Sabrina und tat so, als würde sie die Armmuskeln spannen. »Aber wissen Sie was – das enthebt mich jetzt der Pflicht, mir über Ihre Anfrage Gedanken zu machen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Normalerweise müssen Anfragen der Polizei auf dem Dienstweg hereinkommen«, sagte sie. »Und nicht per SMS , die vermutlich völlig illegal während einer Autofahrt geschrieben wurde.«
»Was bringt Sie denn auf diese Idee?«
»Die vielen Tippfehler«, sagte Sabrina trocken. »Aber da dies keine dienstliche Anfrage war, weil Sie ja nicht im Dienst sind, unterhalten wir uns quasi als Privatleute, und Sie haben keinen formalen Fehler begangen.«
»Ich hab die Nachricht geschrieben, als ich von Eric Heigls Haus in die Stadt zurückfuhr. Ich wollte keine Zeit verlieren.«
Sabrina nickte. »Kann ich verstehen. Ich habe die Fotos von Natalie Seitz zugeschickt bekommen.«
Sie schwiegen beide eine Weile. Sabrina hatte ihre Hand auf die Fensterbank gestützt, dicht neben Peters Hand. Er fühlte die Wärme, die von ihrer Haut ausging.
»Ich beneide Sie nicht«, sagte Sabrina. »Mir persönlich reichen schon die Fotos, um schlecht zu schlafen. Sie müssen sich so etwas in echt ansehen.«
Peter fragte sich, ob sie bereits mitbekommen hatte, wie emotional er auf den Anblick der Ermordeten reagiert hatte – oder dass Flora so aufgewühlt gewesen war, dass sie grußlos davongefahren war, um bei ihrer Tochter zu sein. »Was ist mit dem Fahndungsaufruf für Eric Heigl?«
»Aufgehalten worden.«
»Was?«
Sabrina seufzte. »Aufgehalten worden von Ihrem überaus charmanten Kollegen Harald Sander und dann gleich darauf noch mal von Ihrem Chef.«
Peter musste nicht lange überlegen. »Blofeld soll nicht wissen, dass wir die Leiche gefunden haben. Harald will ihn in Sicherheit wiegen.«
»Die Presse ist informiert, dass sie sich zurückhalten soll«, bestätigte Sabrina. »Ein Glück, dass die Zusammenarbeit mit der Zeitung, dem Wochenblatt, dem Regionalfernsehen und dem Radiosender so gut ist. Die Berichte werden bis Montag zurückgehalten. Glauben Sie, dass Eric Heigl der Mörder war? Und dass er Blofeld ist?«
»Ich weiß es nicht. Haben Sie Zugriff auf die Fotos, um die ich Sie gebeten habe?«
Sabrina schritt zu ihrem Schreibtisch und drehte den Bildschirm ihres PC s herum, bis er so stand, dass man ihn von dem Besucherstuhl vor dem Tisch einsehen konnte. Sie deutete auf den Platz.
»Setzen Sie sich«, sagte sie. »Ich hoffe, ich vergesse nicht, Ihnen nachher die schriftliche Erlaubnis von Harald Sander abzunehmen, Fotodateien aus dem Ermittlungsarchiv der SOKO ›Wettin‹ aufrufen zu dürfen.«
»Ich habe keine solche Erlaubnis, und das wissen Sie so gut wie ich«, erklärte Peter.
»Herrje. Dann wagen Sie es bloß nicht, hier auf die F 1 -Taste zu drücken, damit der Bildschirm wieder erwacht, und sich die Bilder anzusehen, während ich mal kurz auf dem Klo bin.«
Sie ging zur Tür, öffnete und schloss sie und stellte sich hinter den Stuhl, auf dem er saß.
»Sie sind ja gar nicht auf dem Klo«, sagte Peter.
»Das bilden Sie sich nur ein«, sagte sie.
Er war sich bewusst, dass sie sich zusammen mit ihm vorbeugte, als er die Tastatur berührte; und als er sich zurücklehnte, stieß er mit ihr zusammen. Ihr Haar hüllte ihn einen Moment lang ein. Ihr Parfüm umgab ihn wie eine wohlriechende Wolke. Beinahe hätte er die Augen geschlossen und dem zutiefst männlichen Impuls nachgegeben, die Nähe einer attraktiven, völlig in ihn vernarrten Frau zu genießen – da erhellte sich der Monitor und zeigte das erste Foto.
Er hörte die Stimme Sabrinas nahe an seinem Ohr. »Vielleicht hätte ich Sie warnen sollen.«
Peter klickte mit der Pfeiltaste die Bildersammlung durch. Es war das übliche halbe Dutzend Tatortfotos, mit einem grellen Blitzlicht aus mehreren verschiedenen Perspektiven aufgenommen. Die vorherrschende Farbe war Rot. Jedes der Bilder trug eine mit einem Bildbearbeitungsverfahren notierte Aktennummer aus einer mehrstelligen Zahl und zwei Buchstaben: WB . In vielen Fällen griff man auf Autokennzeichen zurück, um Dateien
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