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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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bestimmte Lukastik. » Ich rufe Sie an.«
    Albrich entließ ein Stöhnen. Dann sagte er: »Mitternacht will ich Ihre Stimme hören.« Und nach einer kurzen Pause: »Das klingt alles so lächerlich. Finden Sie nicht auch?«
    »Das kann man wohl sagen. Bis dann, Major.«
    »Bis dann«, schloß Albrich mit Trauer in der Stimme. Einer Trauer, die gewiß ihm selbst galt.
    Die Vorderseite des Kegels war von der grasigen Matte umgeben, ein Eingang nicht zu erkennen. Ein mächtiger Schatten fiel zur Seite und verdunkelte eine ebene Fläche. Lukastik trat näher heran und strich über die Ummantelung. Zu seinem Erstaunen fühlte sich das Gras echt an. Eher hätte er ein Kunststoffimitat erwartet. Allein die Bewässerung mußte einen unsinnigen Aufwand verursachen. Aber was wurde nicht alles bewässert.
    Lukastik strich um das hohe Gebilde herum. Es zeigte sich, daß die Rückseite, die wie zum Trocknen im Mondlicht hing, über eine ähnliche gläserne Front verfügte wie die beiden anderen Sanatoriumsgebäude. Durch einen ebenerdigen, unverschlossenen Eingang trat Lukastik in eine Vorhalle, die im ersten Drittel bis hinauf zur Spitze des Kegels wies. Dahinter erhoben sich fünf Etagen in Form von Galerien, wobei linker Hand eine offene Treppe und rechter Hand ein frei im Raum stehender Lift die Stockwerke verband. Die ganze Anordnung erinnerte an ein luxuriöses Warenhaus. Eine Art Notbeleuchtung war in Betrieb, gedämpftes, rötliches Licht, das die bescheidene Kraft verglühender Feuerstellen besaß. Ohnehin ermöglichte auch hier das Mondlicht einen genauen, befremdlich scharfen Blick auf die Dinge, so daß es Lukastik für einen Moment vorkam, als schaue er durch eine Brille von hoher Dioptrienzahl.
    Dementsprechend geriet er ein wenig ins Wanken, als er die Treppe hochging. Wobei es sich erübrigte, laut auszurufen, eingetreten zu sein. Auch der Hall seiner Schritte besaß jene klirrende, scharfkantige Präsenz. Es war kaum zu überhören, daß er angekommen war.
    Nachdem er das Obergeschoß erreicht hatte, fiel sein Blick ungehindert auf das zentrale Bassin, das im Licht mehrerer in den Boden eingelassener Scheinwerfer lag. Die Wasseroberfläche war in leichter, gleichmäßiger Bewegung, die wohl von den Düsen eines Umlaufs herrührte. Die Schlieren bildeten ein Muster wie aus einer Schlangengrube. Ein Hai war nicht im Pool. Dafür saß Sternbach am Rande des Beckens auf einem mit Badetüchern abgedeckten Sofa. Er trug Anzug und Krawatte, hatte die Beine übereinandergeschlagen und hielt ein Glas Wein in der Hand. Zugleich feierlich und entspannt. Man hätte meinen können, der Mann sei gerade dabei, sich von der erquicklichen Anstrengung einer Preisverleihung zu erholen.
    »Schön, daß Sie kommen konnten«, sagte Sternbach gastgeberisch. »Setzen Sie sich. Ein Glas Rotwein? Das ist der beste, der hier zu kriegen ist. Eine rare Flasche, wie man mir versichert hat. Nicht, daß ich imstande wäre, die Qualität zu beurteilen. Wein, egal welcher, schmeckt immer verdorben. Wie etwas, das zu lange herumgestanden ist. Andererseits bedeutet es einen ungemeinen Charme, mittels ein paar Schlückchen ein ganzes Monatsgehalt zu verkonsumieren.«
    Lukastik setzte sich Sternbach schräg gegenüber in einen augenscheinlich zurechtgestellten, ebenfalls mit einem Badetuch verhüllten Lehnstuhl. Dann nickte er in Richtung der Weinflasche. Er war bereit, sich an der Vernichtung ganzer Monatsgehälter zu beteiligen.
    Sternbach füllte eines von diesen überproportionierten Gläsern – bei denen man meint, man jongliere eine Weltkugel mittels einer Stricknadel – und reichte es seinem Gast. Lukastik griff danach und führte seinen Blick nahe an die Farbe heran. Es sah aus, als betrachte er ein Gemälde. Schließlich nahm er einen Schluck, den er im Mund behielt, während er das Glas vorsichtig am Boden abstellte. Der Wein in seiner Mundhöhle hatte etwas von einem Ballon, der sich fortgesetzt aufzublähen schien. Lukastik machte diesem Gefühl ein Ende und ließ die expandierende Flüssigkeit in die Speiseröhre abgleiten. Es war gewissermaßen die Erleichterung, wieder über einen freien Mund zu verfügen, die seinen Genuß darstellte.
    »Wo sind Ihre Leute?« fragte Sternbach.
    »Draußen«, sagte Lukastik. »Es wird uns niemand stören, solange ich nicht den Befehl dazu gebe.«
    »Das ist gut so. Dann können wir also in Ruhe reden.«
    »Darum bin ich hier«, erklärte Lukastik, ohne ein Zeichen von Ungeduld. Er fühlte sich ganz

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