Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Hintergründe dieser Explosion sei. Einer Explosion von solcher Kraft, daß sie mit einem technischen Defekt innerhalb der Anlage, etwa einer lecken Gasleitung nicht begründet werden könne. Eher müsse man von einem gezielten Anschlag ausgehen, wobei sich natürlich die Frage stelle, welchen Sinn es haben könnte, ein zwar kostbares, jedoch in keiner Weise symbolträchtiges Kulturdenkmal zu zerstören. Noch dazu, da sich mit einiger Wahrscheinlichkeit niemand mehr in dem Gebäude befunden habe, während es über den Tag hinweg gut besucht gewesen war.
    Ein wenig war es ein Versprecher gewesen. Dieser Quasi-Vorwurf an einen möglichen Attentäter, sich soweit »human« verhalten zu haben, die Bombe erst nach Schließung des Palmenhauses zu zünden. Beinahe hatte die Feststellung des Kommentators verärgert geklungen, als wollte er sagen, daß es wieder einmal für diese Stadt nicht reichen würde, Weltniveau zu erreichen. Und daß also selbige Welt mitleidig und amüsiert, vielleicht sogar wehmütig ob solcher Weltferne nach Wien blicken würde, in eine Stadt, in der man ein dekoratives, aber ohne jede ideologische oder gar religiöse Bedeutung dastehendes, menschenleeres Gebäude in die Luft sprenge, so daß beinahe der Verdacht entstünde, daß nicht etwa ernsthafte Terroristen dies bewerkstelligt hätten, sondern Leute, die irgendeinen obskuren künstlerischen Zweck verfolgten (vergleichbar jenem schrägen Typ, der geplant hatte, zehn mattgoldene Ford Mustang zu pulverisieren).
    Lukastik wandte sich ab. Er hatte genug gesehen. Er selbst gehörte eher zu jenen Wienern, denen die Erhaltung des Schönbrunner Palmenhauses als überflüssig erschienen war. Nicht, weil Lukastik die Konservierung des Historischen rundweg ablehnte. Aber manchmal, so fand er, war es besser, die Dinge einfach entschlafen zu lassen. Alte, kranke Menschen sollten sterben dürfen, auch Tiergattungen, auch Freundschaften, und eben auch das eine oder andere Gebäude.
    Für Bomben freilich hatte er nichts übrig, wie klein oder groß sie auch sein mochten und wie sehr mit dem Zeitpunkt ihrer Zündung auch die Schonung menschlichen Lebens einherging. Ihn störte das Hinterhältige einer solchen Waffe, gewissermaßen die Unsportlichkeit einer jeden Art von Bombe, ob es sich um einen Sprengstoffgürtel oder einen Marschflugkörper handelte.
    Als Lukastik nun wieder in Richtung der Bar ging, bemerkte er in einem der Lederfauteuils eine Frau, die er kannte. Sie gehörte zum Team einer speziellen Eingreiftruppe, die in heiklen Fällen zum Einsatz kam. Es war kaum anzunehmen, daß sie hier saß, um an einer Kur teilzunehmen. Auch ging Lukastik davon aus, daß bereits mehrere Polizeibeamte in ziviler, den gediegenen Verhältnissen angepaßter Kleidung sich auf dem Gelände aufhielten und mittels der üblichen, verschämt verborgenen Kommunikationstechnik in ständigem Kontakt mit ihrer Einsatzleitung standen.
    Lukastik zuckte mit der Schulter, und zwar so, daß die Frau es sehen konnte. Was sollte er machen? Die Lächerlichkeit solcher Einsätze war nun mal nicht zu unterbinden. Er konnte nur hoffen, daß der Major seinem Wunsch folgte und die getarnten Beamten am Riemen hielt.
    In der Bar war es merklich leerer geworden, nachdem die meisten Gäste in den Speisesaal gewechselt hatten. Oder im Foyer hängengeblieben waren, um im Fernsehen die neuesten Meldungen zu verfolgen. Die Mehrheit aber meinte, daß ein solches Unglück zu betrachten – von Katastrophe zu sprechen, wäre ihnen maßlos erschienen – bis nach dem Essen Zeit hatte. Kurgäste waren in der Regel Menschen, die ein klein wenig über dem Boden schwebten und etwa die eigenen Gallensteine für mindestens so wichtig erachteten wie ein brennendes Palmenhaus.
    Lukastik setzte sich an denselben Tisch, an dem er zuvor gesessen hatte. Es war nun eine junge, knabenhafte Frau in einem dunklen, engen Hosenanzug, welche ihn bediente, während hinter der Theke noch immer der Mann mit den goldenen Knöpfen stand und nach dem ersten abgeflauten Gästesturm wieder Ordnung in sein Revier brachte.
    Lukastik bestellte einen Whisky, wobei er die seltene Gelassenheit an den Tag legte, die Frau zu bitten, die Marke für ihn auszuwählen, da er in bezug auf dieses Getränk vollkommen entscheidungsunwillig sei. Die junge Frau, die sich zart und gewichtslos wie eine magersüchtige Bodenturnerin bewegte, reagierte nicht minder gleichmütig und servierte anstandslos einen Single Malt von demselben blassen Gelb,

Weitere Kostenlose Bücher