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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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hinträumt oder auch nur in die falsche Richtung schaut. Lukastik konnte dieses Etwas bloß noch spüren. Er spürte gewissermaßen das Abnehmen der Distanz zwischen sich und der Bedrohung, worin auch immer sie bestehen mochte. Dann wurde es schwarz vor seinen Augen. Seine böse Ahnung hatte sich erfüllt. So muß es wohl hin und wieder sein, wenn man nicht will, daß böse Ahnungen zur schlichten Koketterie verkommen.
    Lukastik erwachte in einer vollkommenen Dunkelheit. In dieser Hinsicht war das Schwarz, das ihn beim Eintreten der Bewußtlosigkeit ereilt hatte, nun sichtbar geworden. Er blickte in dieses Schwarz hinein. Es umgab ihn zur Gänze. Da bestand kein noch so geringes Pünktchen Licht, und da war auch nichts, was sich im Zuge einer Gewöhnung nach und nach aus dem Dunkel herausgeschält hätte, um eine vage Kontur zu bilden, wie dies bei Schlafzimmereinrichtungen zumeist der Fall war.
    Nach einem ersten, stillen Schrecken wurde sich Lukastik bewußt, daß er weder in einem Bett noch in einem Schrank und daß er auch nicht in einem Sarg oder sargähnlichen Behältnis lag. Er spürte, daß er schwebte. Zudem registrierte er das Ungewohnte und Ungewöhnliche seiner Atmung. Daß er nämlich die Luft, die einen mineralischen Geschmack besaß, durch eine Vorrichtung atmete, welche wie ein aufgeblähter Frosch in seiner Mundhöhle einsaß. Er griff mit seinen Händen nach dem Frosch, wobei er den leichten Widerstand der Substanz bemerkte, durch die er seine Arme bewegte. Auch stellte er nun fest, daß sein Körper bis hin zu den Händen und Füßen von einer enganliegenden, kalten Hülse umgeben war. Lukastik fühlte sich gleichzeitig nackt und ummantelt.
    Nun, es war das erste Mal in seinem Leben, daß er einen Taucheranzug trug. Und da er ja absolut nichts erkennen konnte, bedurfte es einer gewissen Kombinationsgabe, ein Bild von der Situation zu entwerfen, in der er sich befand. Wie es schien, steckte er in einem dieser durchgehenden Neoprenanzüge. Nase und Augen lagen hinter der Scheibe einer Tauchmaske, welche ein winziges Kabinett bildete. Auf dem Rücken lastete schwach das Gewicht einer Pressluftflasche, während das Mundstück, durch das er angestrengt atmete, mittels irgendeiner Verankerung am Kopf befestigt war. Um die Taille herum, so daß diese Taille deutlicher als gewohnt einen spürbaren Abschnitt bildete, lag der obligate Bleigürtel. Was jedoch fehlte, waren Flossen. Und das war nun so, als sei man ohne Schuhe aus dem Haus gegangen und müsse in bloßen Socken über einen feuchten Asphalt wandeln. Nur, daß Lukastik eben nicht wandelte, sondern im flüssigen Raum hing, ohne irgend etwas über die Tiefe des Gewässers und die eigene Position aussagen zu können. Für ihn war es vielmehr, als befinde er sich in einem toten kosmischen Gefilde, aus dem jegliche Materie und alles Licht entwichen war. Wobei er selbst sich schwer tat, zu beurteilen, ob er weiter absank oder etwa in einer feinen Strömung dahintrieb. Jedenfalls war es ihm kaum möglich, ohne Flossen eine eigene Bewegung zustande zu bringen. Auch hätte er nicht sagen können, wo oben und unten lagen, wenn dieses Oben und Unten überhaupt noch existierten. Denn es stellte sich die Frage, ob eigentlich von einem konventionellen Gewässer die Rede sein konnte. Und nicht etwa von einer jenseitigen Sphäre, in der es zwar Druckluftflaschen und Taucherbrillen gab, aber weder Flossen noch einen dreidimensionalen Raum.
    Zunächst einmal war Lukastik vor allem daran gelegen, mit seiner Atmung zurecht zu kommen und endlich damit aufzuhören, die Luft zu schlucken, wie man Stücke groben, trockenen Brotes hinunterwürgt. Er bemühte sich um eine sorgfältige, ruhige und gleichmäßige Inhalation. Sodann entschloß er sich, den Gedanken, er befinde sich in einem Stadium des Todes, fürs erste ad acta zu legen und davon auszugehen, daß irgendein perverser Typ ihn in diese Situation gebracht hatte. Denn dazu gehörte nun wahrlich ein perverser Antrieb, einen Chefinspektor zu betäuben, in einen Taucheranzug zu packen, das Mundstück für die Zufuhr von Atemgas zu fixieren und den so präparierten und noch immer narkotisierten Polizisten in ein dunkles Gewässer zu befördern.
    »Was für ein Gewässer?« fragte sich Lukastik. Um ein nächtliches Meer konnte es sich ja wohl kaum handeln. Und um von einem Bassin auszugehen, etwa einer verdunkelten Schwimmhalle, empfand Lukastik viel zu sehr die Weite des Raums, auch wenn dies auf einem bloß

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