Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Langeweile oder purer Lust einen Angriff vornahmen.
    In dieser Hinsicht war es also ausnahmsweise so, daß eine völlige Dunkelheit die Panik eines Menschen milderte. Was sich rasch änderte, als Lukastik einen Stoß seitlich in den Bauch erhielt. Eines der Tiere hatte ihn mit der Schnauze gerammt, wohl um die Bedeutung des reglosen Objekts zu erkunden.
    Mein Gott, dachte Lukastik mit bitterer Ironie, vielleicht wollen die Viecher nur spielen.
    Dann schloß er die Augen, in etwa wie ein Träumender, der einem Alptraum zu entgehen versucht, indem er tiefer in seinen Schlaf dringt. Oder zumindest zusieht, in eine bessere Art von Traum zu gelangen.

19       »Schöne Küche«, sagte Esther Kosáry und nahm in dem vom Tageslicht geradezu tapezierten Raum Platz.
    Tatsächlich war die Küche der größte Bereich in Jordans Wohnung, um den herum mehrere kleine Räume gleich dünnen, kurzen Beinen angeordnet waren. Ursprünglich war an dieser Stelle das Wohnzimmer gewesen, doch hatte Jordan alles Stubenartige entfernen lassen, vor allem ein Monstrum von Einbauschrank, und sich auf der freigewordenen Fläche seinen Traum von einer hochmodernen, aber nicht gänzlich ungemütlichen Küche erfüllt.
    Wie es sich gehörte, thronte in der Mitte ein mächtiger Kubus, der die kugellagerartigen Brennkörper eines überbreiten Gasherds beherbergte. Rechts und links davon eröffneten sich eine Abwasch- und eine Arbeitsfläche, welche Platz boten, die Präparation auch großer und größter Fleischteile vorzunehmen. Was allerdings nie der Fall war. Es hätte Jordan den Magen umgedreht, hätte er rohes Fleisch berühren, es durchschneiden oder sonstwie verarbeiten müssen. Hingegen schätzte er sehr wohl den Geschmack fertig zubereiteter Fleischgerichte, die er ausnahmslos in Restaurants zu sich nahm, am liebsten in panierter Form, wie um den Anblick von etwas »Nackertem« zu vermeiden.
    Warum dann eine solche Küche?
    Nun, Jordan liebte den Glanz der Materialien, die maschinen- und cockpitartige Eleganz der Einrichtungen und Geräte, vor allem aber den Zustand der Sauberkeit, der sich natürlich in einer kaum benutzten Küche viel leichter erhalten ließ. Was sicherlich nicht zuletzt damit zusammenhing, daß in der Küche seiner Mutter, einer freundlichen, aber leicht irritierbaren Frau, chaotische Zustände geherrscht hatten, Zustände, die Jordan eine Kindheit und Jugend lang zuwider gewesen waren.
    Auch hatte er nie verstanden, daß ausgerechnet Küchen, in denen doch der Großteil der Menschheit – zumindest der Menschheit, wie er sie kannte – sich am liebsten aufhielt, größenmäßig hinter die meisten anderen Räume zurückfielen. Das hatte er geändert, auch wenn nicht geringe Umbauten und Investitionen solcherart entstanden waren.
    Es gab Leute, die sich wunderten, daß Jordan in diesem Prachtstück von Küche wenig mehr als einen Kaffee kochte, Wurst- und Käsebrote zubereitete oder eine gelieferte Pizza auf Teller verteilte. Bereits die Benutzung des Toasters versagte er sich, um nicht eine unnötige und häßliche Krümelei zu verursachen, ganz abgesehen vom leichten Brandgeruch, den selbst moderate Toastungen zur Folge hatten.
    Gar nicht so wenige Gäste hingegen schätzten in erster Linie die Reinlichkeit dieses Ortes, das Aufgeräumte und Museale, den inszenatorischen Charakter der Gerätschaften, und gaben sich ansonsten damit zufrieden, auf einem der hellrosafarbenen, ledernen, in ein engmaschiges Metallgeflecht eingefaßten Stühle zu sitzen und ein perfekt temperiertes Glas Wein zu genießen. Abendliche Gäste, versteht sich.
    Seinen Morgen verbrachte Jordan lieber alleine. Selbst die Frauen, die er hin und wieder – und immer seltener – mit nach Hause nahm, zwang er dazu, noch in derselben Nacht seine Wohnung zu verlassen. Und obgleich er natürlich stets die Taxis bezahlte, welche diese Frauen nach Hause brachten, war seine Vorgangsweise dazu angetan, Frustrationen hervorzurufen. Weshalb er dazu übergegangen war, schon beim Bekanntwerden die Damen auf seine Eigenart hinzuweisen. Was in der Regel zu einer Vorwegnahme der Frustrationen führte.
    Im Falle Esther Kosárys war die Sache freilich anders gelaufen. Es wäre unmöglich gewesen, die junge Frau im Schlafzimmer samt frischer Bettwäsche einzuquartieren, um sie dann des nächtens aus der Wohnung zu expedieren. Also saß sie an diesem Morgen auf einem der rosafarbenen Stühle und nippte an einem Espresso, den Jordan aus einer Maschine entlassen

Weitere Kostenlose Bücher