Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische
Unverwüstlicher, als je ein Ford Mustang es war. Und wenn nötig, dann bleiben Sie ein paar Tage bei dem Mädchen. Sehen Sie es als Urlaub an. Als Urlaub und gleichzeitig als Dienst am Staat.«
»Sie versichern mir, daß ich keine Schwierigkeiten bekommen werde.«
»Wäre ich der Polizeipräsident, wären mir die Hände gebunden. Aber ich bin der Ermittler. Das ist mein Fall. Ich bin der Sache verpflichtet. Also bestimme ich auch, wer Schwierigkeiten bekommt und wer nicht. In Ordnung?«
»Es ist eine Zumutung, was Sie von mir verlangen«, sagte Sternbach. Doch die Ming-Vase schien sich gefangen zu haben.
Minuten später saßen Egon Sternbach und Esther Kosáry in dem 87er Ford Mustang und fuhren los. Erneut hatte Lukastik also eine »Ehe« gestiftet und war durchaus zufrieden damit. Freilich hoffte er, daß die beiden »Jungverheirateten« nicht ebenfalls verlorengingen.
Wie auch immer, er hielt es für die einzig vernünftige Entscheidung, die Freundin des Toten aus dem Schußfeld der Interessen und Recherchen herauszumanövrieren. Sie hatte mit dem Fall nichts zu tun. Davon war er überzeugt. Und es bedeutete ein Prinzip seiner Arbeit, über falsch und richtig autonom zu entscheiden und sogenannte Verdächtige, die er als unverdächtig erkannt hatte, dem polizeilichen Apparat zu entziehen. So gesehen war das entfernte Györ, vor allem aber der Umstand, den Friseur Sternbach mitgeschickt zu haben, gleichsam jener Kühlraum, in den Lukastik die junge Frau einlagerte.
Wenn man an das populäre Bild vom illegal operierenden Polizisten denkt, so erfüllte Lukastik es in einer ungewöhnlichen, man könnte sagen charmanten Weise. Allerdings war ihm bewußt, daß auch andere Leute den Drang verspürten, ihre Arbeit zu erledigen. Weshalb er jetzt nach seinem Handy griff und die Nummer seines Vorgesetzten wählte.
»Können Sie mir sagen, was das jetzt wieder soll?« ließ sich der Major vernehmen, nicht eigentlich erregt, bloß besorgt, ängstlich, Komplikationen fürchtend. Soeben war er vom Leiter des Zwettler Postenkommandos kontaktiert worden, welcher das unkooperative, ja dreiste Verhalten Lukastiks beklagt hatte.
»Das ist nicht neu, daß sich irgendwelche Affen über mich beschweren. Oder?« sagte Lukastik.
»Ich muß diese Affen besänftigen«, erinnerte der Major.
»Das müssen Sie«, bestätigte Lukastik und offenbarte nun, die Identität des Toten ermittelt zu haben und sich soeben in dessen Wohnung zu befinden.
Eine Weile war es still. Der Major räusperte sich, dann sagte er: »Ausgezeichnet. Kennen Sie auch den Mörder? Ich meine nicht den Fisch.«
»Noch nicht«, sagte Lukastik und lieferte nun einige Erklärungen zu Tobias Oborin. Über Esther Kosáry aber verlor er kein Wort.
»Ich schicke Ihnen die Spurensicherung«, erklärte der Major.
Über das Verschwinden Jordans und Boehms schien er erstaunlicherweise uninformiert. Und auch in diesem Punkt unterließ es Lukastik, seinen Vorgesetzten aufzuklären. Nicht zuletzt, weil er davon ausging, daß das »Ehepaar« demnächst auftauchen würde. In Lukastiks gedanklichem Modell war der unversehrte Wiedereintritt dieser zwei Personen eine beschlossene Sache.
Während Lukastik mit dem Major sprach, bewegte er sich durch die anderen Zimmer des Hauses, betrachtete die Bücher in den Regalen, die Papiere auf den Schreibtischen und kümmerte sich auch um Details in Küche und Badezimmer. Aber es war keine wirkliche Suche, die er da betrieb, sondern ein beiläufiges Stöbern. Nicht, daß er meinte, die Hand eines Engels würde ihn führen, und doch war es so, daß er in Ermangelung der Möglichkeit, hier alles auf den Kopf zu stellen, sich dem Zufall hingab. Also nicht wie üblich in ihn hineinstolperte, sondern sich von ihm treiben ließ. Was nichts daran änderte, daß Lukastik auf keinerlei Hinweise stieß, die ihm weitergeholfen hätten. Auch nicht im Keller, wo in hohen, verglasten Vitrinenschränken Abertausende Papiere untergebracht waren, aufgeteilt in ziegelsteindicke Stöße, auf denen jeweils kleine Modellautos thronten. Lukastik vermutete, daß es sich dabei weniger – oder zumindest nicht allein – um eine Reminiszenz aus Kindertagen handelte, sondern um ein spezielles Ordnungssystem, und zwar dadurch, daß eine bestimmte Art von Dokumenten einem bestimmten Spielzeugwagen zugeordnet wurde. Wobei in diesen, den gesamten Raum umschließenden Vitrinen wohl ein paar Hundert Papierstöße zusammenkamen und damit ein paar Hundert Modellautos
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