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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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müssen«, bestimmte Lukastik. Und an Esther Kosáry gewandt: »Ich schreibe Ihnen meine Nummer auf. Für den Fall, daß es irgendwelche Komplikationen gibt. Was ich nicht annehme.«
    Er zog seinen Tractatus aus der Tasche, blätterte ihn auf und entnahm einen Schmierzettel, ein kleines quadratisches Papier, auf dem er einige Gedanken und Zitate festgehalten hatte, die eher philosophischer denn kriminalistischer Natur waren, auch wenn Lukastik zwischen den Disziplinen nur recht vage unterschied. Er hielt die Kriminalistik für die philosophischste Gattung aller Naturwissenschaften.
    Unter diesen Notizen befand sich auch eine Stelle aus der englischsprachigen Einführung zum Tractatus , die von Bertrand Russell stammte und in welcher dieser die offensichtliche Unmöglichkeit darlegte, einen Bericht über zwei Männer abzugeben, ohne auch über zwei Namen zu verfügen. Das mochte zwar recht augenscheinlich anmuten – keine zwei Männer ohne zwei Namen –, aber gerade das Selbstverständliche mußte erst einmal gedacht werden. Und war es einmal gedacht, erwies es sich in der Regel als kompliziert, ja geradezu prädestiniert, ganze Hirne aufzuweichen.
    Um Esther Kosáry aber nicht etwa in unproduktiver Weise zu verwirren, erklärte Lukastik, sie solle die Anmerkungen auf dem Papier ignorieren. Selbige hätten nichts mit der Sache zu tun. Dann notierte er in kleinen, geraden Buchstaben und Ziffern seinen Nachnamen und seine Handynummer in eine freie Ecke und dachte dabei, daß Tobias Oborin aus einer solchen schriftlichen Nichtigkeit wahrscheinlich den »Roman eines Lebens« herausgezogen hätte.
    »Hier«, sagte Lukastik und reichte der Frau den Zettel. Es drängte ihn immer wieder, seinen jeweiligen Schmierzettel loszuwerden. Wie etwa Eltern ihre erwachsenen Kinder gerne in die Welt hinausstoßen.
    Sodann fügte er an: »Eine Frage noch.«
    »Ja?«
    »Sie haben auf Tobias Oborin gewartet, nicht wahr?«
    »Er wollte heute aus Wien zurückkommen«, sagte die junge Frau.
    »Hat er Ihnen gesagt, was er dort zu tun hatte?«
    »Irgend etwas Berufliches. Genauer hat er sich darüber nicht ausgelassen. Er ist alle zwei Wochen in der Stadt gewesen.«
    Lukastik fragte nach einer festen Adresse, die Oborin in Wien möglicherweise besaß.
    »Er hat bei Freunden gewohnt«, antwortete Kosáry, »aber fragen Sie mich nicht nach einem Namen oder einer Adresse. Ich habe keine Ahnung. Es gab eine Menge Dinge, die er für sich behalten wollte.«
    »Gut. Das genügt fürs erste«, sagte Lukastik und bat Esther Kosáry, ihre Sachen zu packen. »Beeilen Sie sich!«
    Esther Kosáry funktionierte nun wie auf Knopfdruck. Vielleicht auch nur, weil es ihr mehr als recht war, so schnell wie möglich von hier wegzukommen. Nichts brauchte sie jetzt weniger, als von frustrierten Beamten der Wiener und erst recht der Zwettler Polizei vernommen zu werden. Dann schon lieber ein Friseur. Dann schon lieber Ungarn.
    Während sie nach oben ging, trat Sternbach zu Lukastik, konsterniert und ein wenig blaß, und wollte wissen, wie es denn zu verstehen sei, daß er sich das alles hätte früher überlegen müssen.
    »Es war ein Fehler«, erklärte Lukastik, »Oborin das Hörgerät zu besorgen. Und dann auch noch unter eigenem Namen. Sozial, aber ein Fehler. Sie haben damit Ihre Fahrt nach Ungarn begründet.«
    »Was ist das für eine absurde Logik?« fragte Sternbach. Allein, daß er fragte, war natürlich eine Dummheit.
    »Daran ist nichts absurd. Es gibt keine halben Einmischungen«, bestimmte Lukastik. »Es gibt ja auch keinen halben Tod. So wenig wie eine halbe Wahrheit.«
    Sternbach unternahm einen letzten Rettungsversuch, indem er darauf verwies, wie riskant es sei, die offenkundige Lebensgefährtin des Getöteten einfach gehen zu lassen. Nicht nur nach Ungarn, auch hinauf ins obere Stockwerk. Vielleicht war sie ja gerade dabei, wichtige Spuren zu verwischen.
    »Spuren werden immer verwischt«, verkündete Lukastik, »zumeist von der Spurensicherung. Das ist zwangsläufig. Außerdem lasse ich die Frau ja nicht einfach gehen. Ich würde sonst kaum darauf bestehen, daß sie einen Begleiter erhält. Also, Herr Sternbach, seien Sie so gut und nehmen Sie meinen Wagen. Fahren Sie mit Frau Kosáry nach Rolands Teich , packen Sie ein paar frische Hemden ein, Ihren Paß und tauschen Sie den Wagen. Es fährt sich ja doch besser mit dem eigenen.«
    »Ein alter Kübel. Ein Renault.«
    »Hören Sie auf, sich anzustellen. Renaults sind unverwüstlich.

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