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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Exemplar eines Carcharhinus leucas in Frage käme.
    »Muß ich glauben, was Sie da sagen?« fragte Kosáry.
    Und auch Sternbach, der endlich – wie erwacht – ins Zimmer eingetreten war, erkundigte sich, ob er hier als Teil einer Komödie fungiere.
    »Wäre denn eine Komödie weniger wirklich?« erwiderte Lukastik, wartete aber keine Antwort ab, sondern stellte erneut die Frage nach Oborins Verhältnis zu Haien.
    »Er war selbst Taucher«, sagte Kosáry. »Zwei-, dreimal im Jahr für ein oder zwei Wochen. Australien, Kuba, Japan. Wo halt Meer ist.«
    »Haben Sie ihn begleitet?«
    »Das wollte er nicht. Obgleich ich sofort bereit gewesen wäre, diesen albernen Sport zu erlernen. Tobias hat mir sogar verboten, ihn zu seinen Abreisen zu begleiten. Natürlich hatte ich einen Verdacht. Also bin ich ihm einmal bis nach Wien und zum Flughafen gefolgt. Aber da war bloß ein Mann, mit dem er sich getroffen hat. Und schwul ist Tobias nicht gewesen, auch wenn jeder Schwule hier in Zwettl das gerne gehabt hätte.«
    »Und Sie können nicht sagen, wer dieser Mann gewesen ist?«
    »Richtig. Das kann ich nicht.«
    »Aber Sie würden ihn erkennen.«
    »Möglich. Er war älter als Tobias. Sechzig vielleicht. Der hagere Typ, der zuviel in der Sonne steht. Zuviel auf Segelyachten. Der Typ, der immer seine Augen zukneift. Auch im Schatten, auch im Winter. Unsympathisch, fand ich. Verschlagen.«
    »Um das zu erkennen, müssen Sie ihn aber recht gut gesehen haben.«
    »Was wollen Sie denn?« ließ Esther Kosáry ihre Stimme ein wenig in die Höhe fahren. »Dieser Mann ist mit Tobias auf Urlaub gefahren. Schwul oder nicht, ich hatte keinen Grund, ihn auch noch nett zu finden.«
    »Na gut«, meinte Lukastik abwehrend, »Oborin war also Taucher.«
    »Ich würde eher sagen, das war seine Art, sich zu entspannen. Er war kein richtiger Taucher. Er war Graphologe, und er war Zwettler, und er war ein Freund der Mönche. Zum Tauchen ist er nur  … Tobias ist im wahrsten Sinn des Wortes getaucht. Eine Pause vom Leben. Eine dumme Art von Pause. Aber ihm war das recht so.«
    »Ein Freund der Mönche also.«
    »Ja«, sagte Kosáry. »Er ist viel im Stift gewesen.«
    »Der mittelalterlichen Handschriften wegen, nehme ich an.«
    »Ich glaube, daß ihm die Handschriften der lebenden Mönche wichtiger gewesen sind. Und würde es schreibende Haifische geben, wäre mir auch klar, warum er überhaupt ans Meer wollte.«
    »Wo verbringen Sie Ihre Urlaube?« fragte Lukastik.
    »Zu Hause. In Györ. Aber wenn Sie wissen wollen, ob ich mich legal in Österreich aufhalte, dann  …«
    »Hören Sie auf, kindisch zu sein«, sagte Lukastik. »Was ich möchte, ist etwas anderes. Verlassen Sie dieses Haus und fahren Sie heim nach Györ. Dort haben Sie Ihre Ruhe. Hier aber werden bald eine Menge Polizisten herumlaufen. Und ich will nicht, daß einer von denen mit Ihnen redet. Erst recht keiner von den einheimischen Affen. Es genügt vollauf, daß wir beide uns unterhalten haben.«
    »Was soll der Unsinn?« Kosáry machte ein Gesicht, als steige ihr ein übler Geruch in die Nase. »Es wird doch aussehen, als sei ich geflüchtet.«
    »Keine Sorge«, beschwichtigte Lukastik. »Ich werde offiziell klarstellen, daß es mein ausdrücklicher Wunsch gewesen ist. Aus Gründen der Sicherheit oder was auch immer. Außerdem steht hier Herr Sternbach. Er ist Zeuge.«
    Als habe sie ihn erst jetzt wahrgenommen, drehte sich Kosáry zu dem zweiten Mann und fragte ihn, wer er eigentlich sei.
    »Der Friseur von Rolands Teich .«
    »Ach, was denn? Sie also!« Es klang richtiggehend erfreut. »Tobias hat ein jedes Mal geschimpft, wenn er von Ihnen kam. Allerdings hätte er sich lieber den Kopf abreißen lassen, als zu einem anderen Friseur zu gehen.«
    »Ja. Ein schwieriger Kunde, aber ein interessanter Mensch«, sagte Sternbach mit Ergriffenheit im Ton.
    Lukastik ließ jedoch keinen Raum für weitere Andacht und fragte Kosáry: »Haben Sie einen Wagen?«
    »Nein. So wenig wie einen Führerschein.«
    »Macht nichts. Ohnehin wird Herrn Sternbach Sie nach Ungarn bringen.«
    »Was?« Sternbach wankte ein wenig wie diese Ming-Vasen auf dünnen Stelen.
    »Ich dachte«, meinte Lukastik, »Sie sind jemand, der nicht nein sagen kann.«
    Der Friseur erinnerte daran, daß es schlimm genug sei, in diesem Moment hier zu stehen. Sein Laden wäre voll mit Kunden. Er werde die längste Zeit erwartet. Nie und nimmer könne er jetzt eine Reise antreten.
    »Das hätten Sie sich früher überlegen

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