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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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tun.«
    »Verstehe ich Sie recht? Sie meinen, er hat diesen Tod verdient. Nur, daß Sie das gerne selbst erledigt hätten.«
    »Sie begreifen gar nichts. Ich habe Tobias geliebt. Und es ist normal, daß man einen geliebten Menschen völlig für sich haben möchte. Nicht nur mit Haut und Haaren, auch mit dem Tod, der zu diesem Menschen dazugehört. Und jetzt hat irgend jemand mir Tobias weggenommen, so ganz und gar. Ich habe das immer befürchtet.«
    »Gab es einen guten Grund für diese Befürchtung?«
    »Sie meinen krumme Geschäfte.«
    »Zum Beispiel.«
    »Keine krummen Geschäfte«, sagte die Frau, deren Gesicht langsam zu seiner kleinen, spitzen Form zurückfand. »Aber es gab da merkwürdige Leute. Leute mit Mappen voller Briefe und handschriftlicher Dokumente, die sich weiß Gott was von Tobias erwartet haben. Er war ja kein Wahrsager, sondern Wissenschaftler. Ich glaube nicht, daß alle das verstanden haben. Einige scheinen gemeint zu haben, Tobias könnte schon durch die Art, wie jemand Kreuze auf einen Lottoschein setzt, erkennen, ob dieser jemand ein Arschloch ist oder ein Samariter. Auch wenn ich nicht weiß, ob da überhaupt ein Unterschied besteht.«
    »Warum hat er sich mit solchen Leuten eingelassen?« fragte Lukastik. »Er war ein angesehener Gutachter.«
    »Er war süchtig nach Handschriften. Sein Keller ist voll davon. Er hat nach der Wahrheit gesucht, wie die meisten unglücklichen Menschen. Der Wahrheit als solcher. Als wäre die Wahrheit ein Stück Brot. Oder das Messer zum Brot.«
    »Unglücklich also«, wiederholte Lukastik, wobei er sich umgekehrt einen glücklichen Menschen nicht wirklich vorstellen konnte. Was sollte das auch sein? Ein Himmel, der auf dem Kopf steht?
    Lukastik ging auf einen kleinen Tisch zu, dessen Unterseite globusartig gewölbt war. Möglicherweise ein Nähtisch. Oder eben ein halbierter Globus. Jedenfalls standen auf der furnierten Auflagefläche ein zwei Finger dicker Bildschirm und eine Tastatur der neuesten Generation. Lukastik äußerte, daß der Einzug der Computer in die Haushalte jemand wie Tobias Oborin wohl kaum Freude bereitet habe. Wenn man die Verdrängung alles Handschriftlichen bedenke.
    »Er hielt es für eine Frage der Zeit«, entgegnete Esther Kosáry, »bis auch die Computerausdrucke so eine Art  … Individualität gewinnen, ein unterscheidbares Schriftbild.«
    »Das würde dann aber mehr über den Computer als über seinen Benutzer aussagen.«
    »Ja«, nickte Kosáry, »so hat Tobias das wohl gesehen. Er meinte, daß wer sich seiner Schrift enthält, die Welt verliert. Inhalte seien unwichtig, die Form würde zählen. Die Asiaten hätten das begriffen. Und darum würden sie schlußendlich auch übrigbleiben. Ich will nicht behaupten, daß ich Tobias immer verstanden habe. Ich habe ihn geliebt. Aber scheinbar nicht genug, um ihn rechtzeitig zu töten.«
    Wenn diese Frau, so dachte Lukastik jetzt, in das Verbrechen verstrickt war, dann ging sie es sehr geschickt an, dies zu verschleiern. Sie wirkte hundertprozentig glaubwürdig. Verrückt, aber echt.
    Es folgte nun die übliche Phrase, indem Lukastik vorgab, verwundert zu sein, daß Frau Kosáry noch gar nicht habe wissen wollen, wie denn ihr Geliebter zu Tode gekommen sei.
    »Muß ich das?« fragte Kosáry. »Ist das meine Pflicht? Oder ist es nicht vielmehr Ihre , es mir zu sagen, ohne daß ich darum betteln muß?«
    Lukastik ging mit einem schiefen Lächeln über die Bemerkung hinweg und plazierte sich erneut vor der mit Briefen tapezierten Wand.
    »Wir müssen ins Detail gehen«, sagte er und wollte wissen, ob Tobias Oborin jemals etwas mit der Erforschung von Haien zu tun gehabt hatte. Oder eben mit einer Person, die aus dieser Forschung kam, mit einem Taucher, einem Meeresbiologen, jemand in dieser Art.
    Es war nun aber Esther Kosáry, die sich einer Antwort enthielt. Statt dessen zog sie die Verschränkung ihrer Arme an, wie man einen Gürtel enger schnallt, und fragte: »Wieso ist das wichtig?«
    »Nun  …« Lukastik zögerte. Er warf einen Blick hinüber zu Sternbach, der noch immer im Türrahmen stand und in keiner Weise erwartungsvoll wirkte. Nicht einmal ungeduldig. Sondern einfach nur gottergeben.
    Lukastik entschied sich für den Knalleffekt der Wahrheit und beschrieb nun in knappen Worten, in welchem Zustand man Tobias Lukastik aus einem hochgelegenen Wiener Schwimmbecken gezogen hatte und daß nach fachlicher Meinung für die tödlichen Verletzungen einzig und allein das ausgewachsene

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