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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Leute zum Stift bringen könnte.«
    »Was ist mit Ihrem Wagen?«
    »Verborgt.«
    »An Herrn Sternbach?« fragte Prunner.
    »Ich habe ihn gebeten, etwas für mich zu erledigen.«
    »Der Mann ist Friseur, nicht Polizist«, betonte der Oberleutnant.
    »Es handelt sich um einen persönlichen Gefallen. Es handelt sich um eine  … Frisur. Ja, um eine Frisur. Was auch sonst? Also? Kann mich jemand fahren?«
    Prunner rief einen seiner Männer, einen jungen, schlaksigen Menschen, dem der Status einer Nebenfigur ins Gesicht geschrieben stand.
    »Danke«, sagte Lukastik und ließ sich von der Nebenfigur hinüber zum Stift chauffieren, eine – wie bei den Zisterziensern üblich – in ein Tal hineingebaute und scharf gegen eine Flußbiegung gestellte Gebäudeansammlung aus Kloster und Stiftskirche sowie diversen angeschlossenen Häusern, so daß eigentlich der Eindruck einer Ortschaft entstand, die das Tal in kompakter Weise ausfüllte. Der von zwei Erzengeln flankierte, barocke Kirchturm ragte raketenförmig in ein vom Dunst befreites Blau. Die Sonne stach. Die vielzitierte Kühle des Waldviertels schien jetzt nur noch ein Märchen.
    »Kommen Sie mit«, wies Lukastik den jungen Gendarmen an, nachdem dieser den Wagen geparkt hatte.
    Der Mann folgte wortlos.
    Nachdem sie durch die Toreinfahrt in den mit Kies ausgelegten und von einem achteckigen Brunnen zentrierten Abteihof getreten waren, flüchtete Lukastik augenblicklich in den vom Schatten eingefaßten Teil des Hofes. Aus diesem Schatten heraus blickte er auf die sonnenbeschienene Fassade wie auf die ferne Glut eines Fixsterns. Dann setzte er sich auf eine gegen die Mauer gestellte Bank, schüttelte die kleine Schwäche ab, die sich in der Hitze seiner bemächtigt hatte, winkte den Gendarmen zu sich und wies ihn an: »Gehen Sie zum Abt. Teilen Sie ihm mit, ich müsse ihn sprechen.«
    »Hier draußen?«
    »Hier draußen«, bestätigte Lukastik. »Machen Sie endlich!«
    Lukastik fühlte sich unbequem. Nicht allein der Hitze wegen. Religiöse Orte – und zwar aktive religiöse Orte – besaßen für ihn eine deutliche Penetranz. Je schöner, um so penetranter. Das galt natürlich erst recht für aktive religiöse Menschen. Und als versuche er einen bösen Geist abzuwehren, zog Lukastik jetzt seinen Tractatus aus der Tasche, um die von ihm so geliebte vorletzte Seite des Büchleins aufzuschlagen und sich jenes Punktes zu vergewissern, in dem gesagt wird, daß es für das Höhere vollkommen gleichgültig sei, wie die Welt ist. Und daß sich Gott nicht in der Welt offenbare.
    Die beiden Sätze taten gut. Wie ein Bonbon bei kratzendem Hals gut tut oder es gut tut, seine brennenden Füße in kaltes Wasser zu tauchen. Denn weder leugnete Wittgenstein die Existenz Gottes noch kolportierte er dessen Tod, sondern stellte ihn kurzerhand dorthin, wo sein Platz war, ins Unaussprechliche. Während hingegen in dem schmucken Abteihof, in dem Lukastik jetzt saß, der Eindruck entstehen konnte, als würde Gott in einem jeden Moment aus einem jeden Mauerteil herausspringen, erst recht aus der steinernen Muttergottes über der Klosterpforte.
    Und wie um die aufdringliche Schönheit des Hofes zu bekräftigen, trat in Begleitung des Gendarmen ein Mönch auf den Hof, der über dem weißen, langen Gewand einen schwarzen Überwurf trug, welcher für Lukastik den abwehrenden Charakter einer kugelsicheren Weste besaß. Ohne dabei jedoch eine Plumpheit zu bewirken. Im Gegenteil. Alles Plumpe schien fern dieses Ordensbruders, der dem Traum eines präraffaelitischen Malers entstiegen schien. Ein tadel- und makelloser Mensch. Schlank und dunkeläugig und schmalnasig. Und auf eine dekorative Weise wehmütig.
    »Sind doch wohl kaum der Abt«, beantwortete Lukastik den christlichen Gruß des Mönchs, der keine dreißig sein konnte.
    »Ich bin sein Sekretär. Der Herr Prälat weilt zur Zeit im Ausland.«
    »Das heißt, ich muß mit Ihnen vorliebnehmen«, stellte Lukastik fest.
    »Ich stehe Ihnen zur Verfügung, soweit es mir möglich ist. Ich bin Bruder Isidor.«
    Lukastik erhob sich, ein wenig gebeugt von so viel Schönheit, und bat den Gendarm, im Wagen zu warten. Die Nebenfigur zögerte keine Sekunde, froh wie jemand, der aus einem Krankenhaus entlassen wird.
    »Heiß hier«, bemerkte Lukastik.
    »Wir könnten in den Kreuzgang gehen«, schlug der Mönch vor.
    Lukastik nickte. Kreuzgang hörte sich gut an. Und indem er nun durch die Klosterpforte hinüber zu den Regularräumen geführt wurde, gelangte er

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