Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische
blindwütig.«
»Meine Güte, Lukastik, Sie haben doch das Opfer gesehen.«
»Egal, wie Sternbach das gemacht hat, die Verletzungen durch einen Haiangriff beweisen System und Berechnung. Sternbach ist der naturwissenschaftliche Typ, kein Metzger.«
»Beten Sie«, empfahl der Major, »daß dieser Frau nichts passiert.«
»Ich bete nie«, sagte Lukastik.
»Ich müßte Sie sofort suspendieren lassen.«
»Das halte ich für eine schlechte Idee. Wer, denken Sie, soll diesen Fall lösen? Jordan? Oder einer von diesen Zwettler Affen?«
»Ihre Überheblichkeit zu einem solchen Zeitpunkt ist sagenhaft«, erklärte der Major und befahl Lukastik, so rasch als möglich zu erscheinen.
Unbeeindruckt meinte Lukastik, es wäre besser, sich in Sternbachs Hotelzimmer zu treffen, auf dem Gelände von Rolands Teich . Und zwar ohne diesen Oberleutnant Prunner.
»Also gut«, sagte der Major mit einem Seufzer, der wie ein langer Faden zwischen den Telephonen hängenblieb, auch nachdem man bereits aufgelegt hatte. Der Major war der Polizeiarbeit überdrüssiger denn je. Es ging ihm wie Edda Boehm. Er sehnte sich nach einem Abend in der Oper. Bloß, daß es weit weniger die Musik war, die er so schätzte, als die kokonartige Geborgenheit seiner Loge, in der er zusammen mit seiner Frau oder seinen beiden Söhnen oder einer Freundin aus Kindertagen saß. Mit wem auch immer. Ganz egal.
(Im Grunde ist die Geschichte der Menschen, die in diesen Fall verwickelt waren, eine Geschichte ihrer beträchtlichen Müdigkeit, gleich zu welcher Dynamik und Vehemenz sie das Schicksal im einzelnen verleitet hat.)
Lukastik marschierte zu den anderen zurück und sagte: »Gehen wir.«
Als man endlich den Waldrand erreichte und damit wieder in den Schatten eintrat, war dies wie ein Einlaufen in den Hafen. Man könnte sagen: Die vier Personen gingen zurück an Land.
12 Manchmal bietet sich an, nicht nur darüber zu schweigen, wovon man nicht sprechen kann, sondern auch zu schweigen, wenn sich eine noch so berechtigte Aussage schlichtweg nicht lohnt.
Zu diesem Entschluß kam Lukastik, als man den nun blitzsauber daliegenden Eingangsbereich der Tankstelle betrat und er Roland Beduzzi erblickte, der jetzt nicht mehr hinter der Kasse saß, sondern zwischen den Regalen des Supermarkts auf einer Leiter stand und an einem der Gestelle hantierte. Gut möglich, daß er einen weiteren Spiegel anbrachte oder eine bisherige Position korrigierte. Kein perfektes System konnte perfekt genug sein.
Im Grunde war Lukastik überzeugt, daß es Roland Beduzzi durchaus bewußt gewesen sein mußte, daß er, Lukastik, sich auf der Suche nach seinen Kollegen Jordan und Boehm befunden hatte. Dennoch war der Pächter der Tankstelle mit keinem Wort darauf eingegangen, die beiden gesehen zu haben. Wohl aus alter Gewohnheit und kühler Leidenschaft.
Gleichzeitig hielt Lukastik es für eine Zeitverschwendung, Beduzzi jetzt von seiner Leiter zu holen, um ihn einer strengen Befragung zu unterziehen. Der Mann mochte ein Misanthrop sein, ein großer Schweiger und lausiger Ehemann, aber er war beileibe kein Komplize Sternbachs. Er hätte sonst kaum Jordan und Boehm anstandslos zum Zimmer des Friseurs geführt. Nein, es würde reichen, wenn einer von den weniger beschäftigten Beamten sich später mit Herrn Beduzzi unterhalten würde. Der Ordnung halber.
»Brauchen Sie mich noch?« fragte Selma Beduzzi. »Ich muß jetzt nämlich meine Fische füttern.«
»Ach ja, füttern Sie das Getier«, sagte Lukastik, davon ausgehend, daß Frau Beduzzi mit »Fischen« irgendwelche Stammgäste meinte. Oder was auch immer sie ihm damit hatte sagen wollen.
Sodann begaben sich Lukastik und das »Ehepaar« in Sternbachs Zimmer. Edda Boehm griff augenblicklich in die Tasche ihrer Jeans und zog ein Paar Schutzhandschuhe heraus, die jedoch nicht die bekannte milchigweiße Transparenz besaßen, die den Leuten von der Spurensicherung das Aussehen von Chirurgen oder Fetischisten verlieh. Und daß Chirurgen in der Regel Fetischisten sind, ist auch keine Neuigkeit.
Vielmehr waren diese Handschuhe von einer grasgrünen, undurchsichtigen Färbung bestimmt, woraus sich eher ein Bezug zu gärtnerischen Tätigkeiten ergab. Ein Vergleich, gegen den Frau Boehm nichts einzuwenden gehabt hätte. Es war ja nicht nur so, daß sie irgendwelche Dinge aufstöberte, sondern zudem versuchte, diese Dinge zum Blühen zu bringen. Und damit zum Sprechen.
Auch Jordan stülpte sich einen solchen grasgrünen
Weitere Kostenlose Bücher