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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Handschutz über, nicht aber Lukastik, der eine derartige Vorsichtsmaßnahme als unwürdig empfand. Ganz abgesehen vom Grasgrün. Er konnte darauf verzichten, wie eine Putzkraft auszusehen. Handschuhe verwendete er bloß, wenn er sich gezwungen sah, ein eher unappetitliches Objekt anzufassen, wie damals, als er das im Pool aufgefundene Hörgerät zwischen seine Finger hatte nehmen müssen. Das war das höchste der Gefühle gewesen. Eine Leiche aber hatte er sein Lebtag noch nicht berührt.
    »Was soll das heißen?« fragte Boehm, als sie den Zettel auf der weißen Schreibtischplatte entdeckte und an zwei Fingern in die Höhe hob wie ein vergiftetes Salamirädchen.
    »Nun, ein Hinweis auf den Bunker«, sagte Lukastik. »Sternbach hatte die Freundlichkeit.«
    »Das schon. Aber was bedeutet die Formulierung, nicht nein sagen zu können? Und was heißt Ihr Friseur ?«
    »Ein Scherz des Herrn Sternbach«, erklärte Lukastik. Noch immer fühlte er sich außerstande, gegenüber Boehm, vor allem aber gegenüber Jordan die Existenz von Oborins Freundin Esther Kosáry zu erwähnen. Sowie den Umstand, Sternbach den Weg zu seiner Flucht geradezu geebnet zu haben. Wenn man überhaupt von Flucht sprechen konnte.
    »Und das Kennzeichen?« fragte Boehm. »Das ist doch Ihre Schrift, nicht wahr?«
    »Meine Schrift«, bestätigte Lukastik. »Ich hatte gerade kein Papier zur Hand, als die Pächterin so freundlich war, mir Sternbachs Autonummer zu verraten.«
    Boehm schluckte. Es gab doch noch Momente, da sie von Lukastiks Ignorantentum überrascht werden konnte. Von einem Mann, der sich zwar fast nie Handschuhe überzog, und auch behauptete, bestimmt nichts anzufassen, in Wirklichkeit aber immer wieder mit elefantenhafter Wucht die Reinheit von Tatorten beeinträchtigte.
    Boehm legte das Papier behutsam zur Seite. Wenn ihre Kollegen mit der Ausrüstung eintrafen, würde sie es in eine Schutzhülle tun. Sie freute sich auf diese Kollegen. Menschen wie sie, sorgsam, eher wortkarg, keiner ein hundertprozentiger Kriminalist, unter ihnen viele Insektenfreunde. Auch Opernfreunde. Auch Familienmenschen.
    Es dauerte nicht lange, da trat durch die offene Tür der Major. Und mit ihm jene Bedachtheit sowie jene nur bedingt um das eigentliche Verbrechen kreisende Diplomatie, wie sie in den Sphären des Gartenpalasts nun einmal vorherrschte. Major Albrich war ein sechsundfünfzigjähriger Mensch von mittlerer Größe, der wegen einer gewissen Korpulenz kleiner wirkte, als er war. Daß er ausnahmsweise keine Krawatte trug, bedeutete gar nicht so sehr einen Hinweis auf die große Hitze als auf die eigene Erregung. Dennoch wirkte er natürlich sehr ordentlich und aufgeräumt. Sein grauer Bart war perfekt gestutzt und besaß eine präzise Umrandung, gleich dem geraden Küstenverlauf auf einer Landkarte. Weder war er jemand, der einen Raum oder eine Situation beherrschte, noch ging er darin unter. Seinem Titel – dem Klang dieses Titels – aber wurde er nur selten gerecht. Es war kein kommandierender Eindruck, den er hinterließ, kein autoritäres Gehabe, keine Besserwisserei, schon gar nicht Ehrgeiz, sondern einzig und allein: Sorge. Eine Sorge, die kaum aufzulösen war.
    Major Albrich war ein Mensch, den man sich halbwegs sorgenlos nur in seiner Opernloge vorstellen konnte, dösend, in die Musik wie in einen weichen, warmen Schal gewickelt, aber deshalb noch lange nicht unempfänglich das immense Gewicht der Kunst. Er wußte, was es da jeweils zu hören gab, er kannte die Partituren und Libretti und besaß eine Meinung zur jeweiligen Ausstattung und Inszenierung. Aber er vermied es nun mal, jenes aufgeregte Spezialistentum an den Tag zu legen, wie etwa Edda Boehm es sicherlich praktizierte.
    Für den Major, begleitet von Beamten der eigenen Abteilung, war der Anblick, der sich ihm bot, ein recht angenehmer. Einfach dadurch, daß Jordan und Boehm, die ja wohl einiges hinter sich hatten, hier standen und arbeiteten, als hätte es keine gröberen Schwierigkeiten gegeben. Somit lieferten sie ein Bild der Routine und Beständigkeit. Ein Bild nach dem Geschmack des Majors, welcher zudem wenig Lust verspürte, den beiden einen Vorwurf daraus zu machen, sich von einem Verdächtigen überwältigt haben zu lassen. Das war nun wirklich verzeihbar. Vor allem im Vergleich mit alldem, was sich Chefinspektor Lukastik bisher an Eigenmächtigkeiten und Irrtümern geleistet hatte.
    Eben dieser Lukastik reichte dem Major nun die Hand und sagte, jeglichen Vorwurf im

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