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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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lieben mußte, da dieser sogenannte Unterhaltungsmusiker viel eher den vorläufigen Schlußpunkt einer von Bach ausgehenden Entwicklung gesetzt hatte, als dies bei den meisten ernsten Komponisten nach 1945 der Fall war.
    Das war nun eine Meinung, die zum Beispiel Edda Boehm in keinem Fall geteilt hätte. So wenig wie Major Albrich. Sehr wohl aber – so schien es zumindest – der Besitzer dieser Kassette und in diesem Moment meistgesuchte Mann des Landes: Egon Sternbach.
    Eingesponnen in die Musik Falcos, und von dieser nicht gerade zur Reduzierung der Geschwindigkeit animiert, jagte Lukastik seinen Wagen über den flirrenden Boden aufgeheizter Straßen, vorbei an kochenden Landschaften, die – aus dem gekühlten Inneren des Wagens betrachtet – den Charakter von Freilandgehegen besaßen. Niederösterreich darf nicht sterben! Freilich sah man wenig von den Tieren und Menschen. Ein paar Hasen, ein paar gekrümmte Männer auf Traktoren.
    Der Anblick einer ganzen Menge von Menschen bot sich allerdings dar, als Lukastik, zwei Polizeikontrollen hinter sich lassend, jenen Fußballplatz am äußersten Rand von Nullpunkt erreichte. Eine hölzerne, überdachte Tribüne war zur Gänze besetzt. Daneben stand das von Kosáry beschriebene Zelt, die übliche weiße Plane, die über offene und geschlossene Seiten verfügte. Gegenüber der Einfahrtsstraße war der Gasthof zu sehen, eine Art bürgerliches Jagdschloß. Daneben ein überfüllter Parkplatz, auf dem die Karosserien wie Straußeneier unter einer Höhensonne brüteten.
    Die Ortschaft selbst lag etwa hundert Meter dahinter, inselartig geballt, wobei der übliche Kirchturm nur gering über die höchsten Dächer hinauswuchs und solcherart einen gestutzten Eindruck hinterließ. Den Fluß sah man nicht. Er mußte wohl am anderen Ende der Ortschaft seine Bahn ziehen, dort, wo eine bewaldete Erhebung scheinbar ansatzlos eine Wand bildete. Keine Steilwand, das nicht, aber gleichwohl ein hoch aufragendes Ding, das seiner Stellung wegen nie einen Schatten auf Nullpunkt warf.
    Lukastik parkte seinen Wagen direkt vor dem Gasthof. Sofort stürzte ein Mann heraus und schrie Lukastik durch die geschlossene Scheibe entgegen, hier nicht parken zu dürfen. Lukastik zog den Schlüssel ab und stieg aus dem Wagen, wo ihn der wütende Mann mit der deutlichen Präsenz eines massigen, schweißigen Körpers empfing.
    Es war eigentlich nicht Lukastiks Art, den Staatsbeamten, wie man so sagt, heraushängen zu lassen. Aber eine mühselige Parkplatzsuche kam nun mal nicht in Frage, weshalb er seinen Dienstausweis aus der Brusttasche zog und mit einer raschen Bewegung am Gesicht des anderen vorbeiführte, in etwa, wie man jemand seinen aufgeklebten Bart von der Lippe reißt.
    »Die Polizei«, sagte der erregte Mann, »glaubt wohl, sich alles erlauben zu dürfen.«
    »Ja, das glaubt sie, die Polizei«, bestätigte Lukastik und ließ den Mann einfach stehen. Hinter sich hörte er nun einige abfällige Bemerkungen über den Ford Mustang. Aber das störte ihn nicht. Er wußte ja nur allzu gut, was für einen einmaligen Wagen er besaß. Noch dazu in einem Land, das von häßlichen Autos – da hatte Kosáry schon recht gehabt – nur so überging. Ein Blick auf den überfüllten Parkplatz war Beweis genug. Straußeneier war das falsche Wort gewesen. Eher Amalgamplomben.
    Lukastik schlüpfte aus seinem Sakko und warf es sich über die Schulter. Wie bereits mehrmals an diesem Tag, hatte ihn die Hitze lawinenartig erfaßt. Er fühlte sich in ihr eingeschlossen. Eine Lawine aus Honig. Er schmeckte die klebrige Süße dieses frühen Nachmittags.
    Lukastik trat über die Straße hinüber zum Sportplatz. Auf der Rasenfläche, zur Tribüne gewandt, war eine Musikkapelle in Position gegangen. Männer und Frauen in hellroten Kostümen, mit weißem und gelbem Besatz, ihre Instrumente gleich Gewehren gegen das Publikum gerichtet. Sie spielten einen Marsch und sie spielten ihn gut. Denn natürlich konnte man auch Märsche schlecht spielen. Selbst dafür besaß er ein Ohr, der Beinahe-Musikwissenschaftler Lukastik. Er war richtiggehend beeindruckt ob der hohen Qualität dieser – übrigens kapellmeisterlosen – Blasmusikkapelle. Man hätte meinen können, es handle sich um eine Bestätigung für den außerordentlichen Grenzcharakter von Nullpunkt : brillant gespielte Marschmusik.
    Lukastik betrat das Festzelt, das zum einen Teil mit langen Reihen von Holztischen gefüllt war, an denen dicht gedrängt Besucher

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