Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische
Menschen lebten und die Kultur mehr Substanz besaß, von der Empfindung nicht loskam, in einem verriegelten Käfig zu hocken. Und auf ein Ende zu warten, das als Teil eines höheren Experiments fungierte. Darum also Wien.
Und nach Wien sollte auch Esther Kosáry zunächst einmal gebracht werden. Darauf bestand der Major. Er hatte vor, sich die Frau persönlich anzusehen und ihr irgendeine Art von Deal anzubieten, falls sich das als nötig herausstellen würde.
»Nehmen Sie den Helikopter«, sagte der Major, welcher sich üblicherweise knausrig gab, wenn es um die Benutzung des Polizeihubschraubers ging, der nach seinem Geschmack viel zu oft in Verwendung kam, nur um das Bedürfnis einiger ermittelnder Beamter nach luftiger Höhe zu befriedigen.
Lukastik aber hielt wenig von der »Hubschrauberei«, wie er das nannte. Er sagte: »Nein, danke. Ich werde Frau Kosáry mit dem Wagen nach Wien bringen. Das ist gemütlicher und es schüchtert sie weniger ein. Sie soll es gemütlich haben, finde ich. Nach dem, was passiert ist.«
»Ich weiß nicht«, meinte der Major, »das klingt nach neuen Eigenmächtigkeiten. Sie tun so, als wäre diese Ungarin Ihre kleine Cousine, die Sie vor der Befragung durch die Kollegen schützen müssen.«
»Sie werden sehen, Major, sie hat mit der Sache nichts zu tun.«
»Ihr berühmtes Gefühl, was?«
»Ich hole sie jetzt einmal ab. In aller Ruhe. Ohne das Donnerwetter, das so ein landender und startender Polizeihubschrauber in einer kleiner Ortschaft verursachen würde.«
»Wo wollen Sie die Frau unterbringen, wenn Sie in Wien sind?«
»Bei Freunden«, sagte Lukastik, dem jetzt aber eine eigentümliche Idee in den Kopf schoß, in etwa wie ein achtlos geworfener Ball genau im Maul eines gähnenden Hundes landet. Er dachte sich, daß es eine elegante Lösung bedeuten würde, Esther Kosáry und den Haibiologen Erich Slatin zusammenzubringen. Herr Slatin mochte nicht gerade der sozialste Mensch auf der Welt sein, aber angesichts dieses interessanten Falles würde er sich wohl kaum dagegen sperren können, die junge Frau bei sich aufzunehmen.
Diese Idee war nun keineswegs mit jener zu vergleichen, Sternbach als Begleiter ausgewählt zu haben. Erich Slatin war ein Freund Dr. Pauls und in diese Angelegenheit nicht als Beteiligter, sondern als Experte eingebunden. Es drohte keine weitere Komplikation. Andererseits war der Hang Lukastiks, Personen einander näherzubringen, die irgendwie in dieselbe Geschichte verstrickt waren, eigentlich nicht mehr als normal zu bezeichnen. Ein bißchen erinnerte seine Vorgangsweise an den Begriff des Zündelns.
»Ich beeile mich«, sagte Lukastik.
Der Major sah auf die Uhr und gab Anweisung, Lukastik um sechs Uhr im Besprechungsraum der Abteilung sehen zu wollen. Es würden dann alle beteiligten Beamten anwesend sein, um diese ganze Ermittlung auf konzertierte Beine zu stellen.
Lukastik verdrehte die Augen. Er hielt wenig von diesen Treffen, die zumeist einen schulklassenartigen Charakter besaßen, mit Leuten, die vor sich hinschlummerten, und anderen, die ständig aufzeigten, um ihr Wissen breitzutreten. Aber was sollte er tun? Er versicherte, rechtzeitig zu erscheinen. Erscheinen zu wollen.
»Keine Ausreden, Lukastik. Ich flehe Sie an. Übrigens! Wissen Jordan und die anderen schon von der peinlichen Sache mit Esther Kosáry? «
»Das zu erzählen wollte ich Ihnen überlassen«, sagte Lukastik.
»Zu gütig. Könnte es sein, Herr Chefinspektor, daß Sie zu feige dazu sind?«
»Nein, nur in Eile«, erklärte Lukastik kühl, mit einer Winzigkeit von Abschiedsgeste und verließ den Ort der Ermittlungen, um hinüber zur Bar zu gehen, wo hinter der Theke Selma Beduzzi stand, umgeben von Mitgliedern der Zwettler Polizei. Man schien amüsiert zu sein, obgleich einzig und allein Mineralwasser getrunken wurde. Als Lukastik den Bereich betrat, kippte das Amüsement in ein spöttisches Verstummen. Man betrachtete den Wiener Kriminalisten weniger feindselig denn abfällig. Offenkundig hatte sich herumgesprochen, Lukastik sei – auch wenn man ihm das nicht ansah – eine Art Freak.
Dem angeblichen Freak war es nicht unrecht, daß Oberleutnant Prunner in dieser einheimischen Runde fehlte. Nach Lukastiks Sichtweise war er der einzige Affe, der hier gewagt hätte, dumme Fragen zu stellen.
»Die Rechnung bitte!« sagte Lukastik zur Pächterin. Dabei zog er sie ein wenig auf die Seite, von den Uniformierten weg und sagte: »Danke für Ihre Hilfe.«
Es kam selten
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