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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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saßen, während auf der gegenüberliegenden Seite eine Ausschank eingerichtet war, vor der weitere Menschen standen, weniger dicht, sondern locker aufgereiht. Die Marschmusik vermengte sich hier drinnen mit den Stimmen und dem Gelächter zu einer geschwungenen Form, die etwas von einem Knoten besaß, der immer wieder aufging.
    Eigentlich hatte Lukastik erwartet, Esther Kosáry an einem der Plätze zu entdecken, an denen keine oder nur wenig Leute sich aufhielten, etwa an jenen Stehtischchen am Rande der breiten Theke. Was aber nicht der Fall war, weshalb der Chefinspektor daranging, die einzelnen Tischreihen zu überblicken, unsicher, ob es denn realistisch sei, Kosáry inmitten einer Menge erhitzter und lautstarker Festbesucher ausmachen zu können. Nun, es war realistisch. Lukastik entdeckte sie jetzt, eingekeilt von Burschen ihres Alters. Esther Kosáry erweckte nicht den Anschein, als würde ihr die »sympathische Dorfjugend« einen Brechreiz verursachen. Ihr Lachen klang in Lukastiks Ohren gekünstelt, aber in keiner Weise verzweifelt. Es war wie die steile Fontäne eines Brunnens, ein strömendes Ornament also, das trotz permanenter Bewegung seine Gestalt beibehielt; und somit einen Teil der Gestaltung dieser Frau bildete, nicht anders als das gefärbte Haar dies tat, oder der kleine Metallring im Hautwulst ihrer Augenbraue. So gesehen war dieses Lachen nur scheinbar eine Reaktion auf die Zoten und Angebereien der jungen Männer, die um Kosáry herum saßen.
    Nicht, daß Lukastik verstand, was hier gesprochen wurde, zu sehr pulsierte das Durcheinander der Stimmen. Auch hatte er auf keinen Fall vor, allzu nahe heranzutreten. Zwischen ihm und der jugendlichen Gruppe war noch ein weiterer besetzter Tisch, an dessen äußerem Ende er stehengeblieben war und nun seine Hand hob, um Esther Kosáry auf sich aufmerksam zu machen, die hier gewissermaßen eine lustige Witwe vorstellte. Tatsächlich wurde Kosáry jetzt auf Lukastik aufmerksam, streckte ein wenig den Hals, winkte ihm zu, machte aber keine Umstände, sich zu erheben. Ein Unbehagen erfüllte Lukastik, ein Unbehagen am Rande zur Gereiztheit. Er hatte keine Lust, dumm herumzustehen, bis sich die junge Frau bequemte, ihre vergnügte Runde zu verlassen. Schon gar nicht aber wollte er hinübergehen und sich von den Rotznasen als Großvater titulieren lassen. Die Jungs waren besoffen und keine Dienstmarke der Welt würde sie einschüchtern können. Also tat er das einzig Vernünftige. Er verließ den Platz und trat aus der gestauten Hitze ins Freie, wo er mit einem Mal eine Spur von Frische zu fühlen glaubte, in etwa wie man eine geringe Menge Speiseeis im gerollten Körper einer dampfenden Palatschinke bemerkt.
    Er ging die wenigen Schritte hinüber zum Fußballplatz, wo er sich neben eine kleine Gruppe von Leuten stellte, die sich hinter der Torlinie versammelt hatten, um ein begonnenes Match zu verfolgen. Ein Match, das übrigens in keiner Weise an die Qualität der Blaskapelle heranreichte. Die Akteure bewegten sich mit einer der brütenden Hitze angemessenen Gemächlichkeit. Niemand würde sich hier umbringen, bloß um den Ball in die Maschen zu setzen. Was aber dennoch geschah, weil auch niemand sich umbrachte, um Tore zu verhindern. Eine gewisse Vitalität entwickelte sich alleine am Spielfeldrand und auf der Tribüne, wo das Publikum sich aufgeregt benahm und die Tristesse auf der Wiese gestenreich kommentierte.
    Lukastik selbst hatte nie diesem Sport gefrönt, überhaupt keinem Sport. Weniger aus einer Verachtung für das Körperliche an sich als für die Übersteigerung des Körperlichen, die ja in einem Zuviel an Muskulatur und Pulsschlägen, in einem Zuviel an diversen Sekretionen und Ausschüttungen bestand. So gesehen goutierte er dieses niveauarme, aber vernünftig geführte Fußballspiel.
    »Da bin ich!«
    Lukastik drehte sich um. Esther Kosáry stand vor ihm, blaß, mit trockenen Lippen und einem Augenpaar, das sich der Kleinheit der anderen Gesichtsteile angepaßt hatte. So, wie Esther jetzt dastand, erinnerte sie an den Augenblick, da sie vom Tod ihres Freundes erfahren hatte: ein durchtrenntes Kabel.
    »Gehen wir«, sagte Lukastik und mußte die junge Frau ein wenig anstoßen, als setze er ein Gefährt auf Schienen in Bewegung. Die Berührung war ihm unangenehm, widersprach seiner Maxime, sich aus fremden Leibern quasi herauszuhalten. Aber anders wäre es nicht gelungen, Esther Kosáry aus ihrer Starre zu lösen.
    Als sie nun neben Lukastik

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