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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Major.
    »Um Nerven ist es nicht wirklich schade«, erwiderte Lukastik.
    Der Major legte auf. Er hatte diesen ganzen Tag ziemlich satt. Und ihn schauderte bei dem Gedanken, daß sich dieser Tag noch eine ganze Weile hinziehen würde.
    Lukastik hingegen war soweit zur Ruhe gekommen, daß er nun das mit Ipso Facto versetzte Glas Wasser austrank, um sich dann seinem ziemlich erkalteten Kaffee zu widmen. Ohnehin konnte er es nicht leiden, über heißem Kaffee wie über einem Inhalationsbad zu sitzen. Er nahm also einige Schlucke von dem lauwarmen Getränk und bestellte sich in der Folge einen trockenen Sherry, der zusammen mit den Wirkstoffen der Ipso-Facto-Tablette und dem Coffein ein ausgleichendes Dreigestirn bildete. Eine halbe Stunde später fühlte er sich bedeutend gesünder. Jene grippale Boje war nur noch ein ferner Punkt auf dem weiten Ozean der Ausflüchte. Lukastik erhob sich. Als er die Theke und den hinter ihr stocksteif dastehenden Barkeeper passierte, wies er diesen an, die Getränke auf seine Rechnung zu setzen.
    »Ihre Zimmernummer wäre?« fragte der Mann mit den goldenen Knöpfen in der blasiertesten Weise.
    »Das wird man sehen. Keine Sorge, ich begleiche meine Schulden.«
    Der Barkeeper schwieg. Sein Gesicht war eine einzige, aber unbeweisbare Verachtung.
    »Komödiant«, murmelte Lukastik und verließ den Raum.
    Es war bloß ein kleiner, zarter Schock, als Lukastik erkennen mußte, daß der Felsen, auf dem Esther Kosáry gesessen hatte, nun leer war. Er glaubte nicht wirklich an ein weiteres Unglück. Schließlich hatte Sternbach das Mädchen wohl kaum auf der Straße abgesetzt, um es jetzt aus einer Hotellobby zu entführen. Natürlich nicht.
    Tatsächlich trat Esther Kosáry wenig später auf Lukastik zu, der wie hingepflanzt neben einem hüfthohen Aschenbecher stand und eine Zigarette rauchte, wobei seine Haltung – die Weise, wie er die Zigarette von sich weghielt – ein wenig an eine männliche Diva erinnerte. Weniger arrogant als schlichtweg reserviert. Reserviert selbst gegen die eigene Zigarette. Als sei alles im Leben, auch die Dinge, die man liebte, dazu angetan, auf Distanz gehalten zu werden.
    »Ich habe telephoniert«, erklärte Kosáry, als sie neben Lukastik zum Stehen kam, »mit meiner Mutter in Györ. Wenn diese Sache vorbei ist, gehe ich für einige Zeit nach Ungarn zurück. Obwohl ich das gar nicht vorhatte. Ungarn ist ein Ort voll von schwarzer Magie.«
    »Was Sie nicht sagen.«
    »Aber es gibt Momente«, konstatierte Kosáry, »da ist selbst eine schreckliche Heimat noch immer der sicherste Ort. Außerdem war es ja Ihre Idee, mich den Ungarn auszuliefern.«
    »Das ist richtig«, sagte Lukastik. »Ich halte viel von Heimat. So voll von schwarzer Magie sie auch sein mag. In der Fremde aber verkümmert der Mensch. Wie automatisch. Nehmen Sie Diplomaten. Oder Fußballer. Oder Gastarbeiter. Lauter lebende Tote. Das Ausland ist immer eine Strafe, jedes Ausland, auch wenn viele das anders sehen wollen.«
    »Sie würden nie den Ort wechseln?«
    »Um keinen Preis. So groß kann mein Elend nicht sein, oder mein Haß gegen die eigenen Leute, daß ich mich der Fremde ausliefern würde. Und mit Fremde meine ich alles außerhalb von Wien.«
    So standen die beiden noch einige Zeit beisammen und rauchten die eine oder andere Zigarette, als Jordan erschien. Er wirkte betont säuerlich, als störe ihn sein Auftrag.
    »Es war Albrichs Idee«, sagte Lukastik. Nicht, daß es seiner Art entsprach, sich bei Jordan für etwas zu entschuldigen. Er wollte diesen Umstand bloß geklärt wissen. Auf daß keine Mißverständnisse entstanden.
    »Schöne Idee«, meinte Jordan und betrachtete Esther Kosáry, wie man ein abgelaufenes Joghurt betrachtet.
    »Wovon reden Sie?« wollte die Ungarin wissen.
    »Herr Jordan ist mein Assistent«, erklärte Lukastik. »Er wird Sie jetzt nach Wien bringen.«
    »Und Sie?«
    »Ich werde mich um Herrn Sternbach kümmern.«
    »Er ist also hier?«
    »Wir werden sehen.«
    »Und was ist«, fragte Kosáry, »wenn ich mich weigere? Wenn ich darauf bestehe, zu bleiben?«
    »Ohne Chance«, verkündete Lukastik. »Ihr freier Wille ist kein Thema. Nicht zur Zeit. Ihre Sicherheit geht vor.«
    »Ich bin nicht bedroht.«
    »Gott, was für eine Zicke!« stöhnte Jordan.
    Kosáry hob an, sich ob dieser Bemerkung zu beschweren. Ihr kleiner Mund klappte auf, alles an ihr war bereit, den Drachen zu geben und Feuer zu speien.
    Doch Lukastik bremste sie, bevor sie noch gestartet war. Er

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