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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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für ihn hätte. Gleichzeitig meldete sich Bacon mit einem Knurren, welches an das Anlaufen einer Sägemaschine erinnerte und angesichts der geringen Größe des Hundes bizarr anmutete. Als töne ein Mofa mit der Gewalt eines schweren Motorrades. Hunde wie Bacon waren gewissermaßen auffrisierte Tiere.
    »Das sollten Sie lassen«, empfahl Dr. Gindler.
    »Was meinen Sie?« fragte Lukastik. »Aspirin schlucken?«
    »Sich so rasch erheben, meine ich. Bacon haßt schnelle, hektische Bewegungen. Ganz nach dem Motto: Kribbelig bin ich selbst.«
    Dr. Gindler griff in eine Schublade ihres Schreibtisches und zog eine Packung heraus. Dazu erläuterte sie: »Ein neues Medikament. Es kommt erst nächstes Jahr auf den Markt. Es heißt Ipso Facto und ist um einiges effizienter als Aspirin, was auch immer Sie meinen, mit Aspirin verjagen zu können.«
    »Einen Anflug von Traurigkeit«, erklärte Lukastik spöttisch.
    »Dafür ist Ipso Facto genau das Richtige«, sagte Dr. Gindler und reichte dem Polizisten die gesamte Packung.
    Lukastik bemühte sich, die Schachtel ohne eine gröbere Bewegung einzustecken. Er wollte nicht noch einmal das Geknurre des Hundes provozieren, der sich bereits wieder aufgerichtet hatte. Sein ockerfarbener Handtaschenkörper vibrierte. Burton hingegen schien in einen tiefen Schlaf gefallen zu sein.
    »Ich werde Sie als Zeugin vorladen müssen«, kündigte Lukastik an, nachdem er bereits in die Klinke der Tür gegriffen hatte.
    »Gerne«, sagte Dr. Gindler. »In Wien hoffentlich. Nichts, finde ich, spiegelt den Charme dieser Stadt so schön wider wie ein Polizeiverhör.«
    »Erwarten Sie sich nicht zuviel«, riet Lukastik und trat aus dem Zimmer.
    Durch die geschlossene Tür hindurch vernahm er Bacons Sägeblattstimme. Er wußte ja, warum er Hunde nicht mochte. Sie waren nicht wirklich die Freunde der Menschen.

15       Durchaus zu den Freunden der Menschen zählten Hotelhallen. Zumindest jene klimatisierten Exemplare mit ihren verstreuten Möbeln, in denen zu ruhen die meisten Benutzer in einen Zustand milder Vergeistigung versetzte. In diesen Foyers – selbst in denen, in welchen die architektonische Avantgarde mit ihrem Hang zu schnittigen Formen zugeschlagen hatte – herrschte in den seltensten Fällen die für das Reisen so typische Hektik, vielmehr schien ein jeder Ton und eine jede Bewegung gedämpft und mit einer leichten Verzögerung ausgestattet. Einer Verzögerung, die sich weniger aus einer Bremsung als einem abschließenden Auslaufen ergab, so wie Sprinter noch ein Stück locker dahintraben, nachdem sie das Ziel erreicht haben. Und ein jeder wird bestätigen, daß die eigentliche Schönheit in der Bewegung eines Athleten erst in diesem bestimmten Moment der Erlösung und Erleichterung stattfindet. So gesehen waren Hotelfoyers also Bereiche, die gleichsam hinter dem Ziel der Reisenden lagen.
    Lukastik erinnerte sich jetzt an einen Jugendfreund, der über Jahre hinweg obdachlos gewesen war, jedoch über ein gepflegtes Äußeres verfügt hatte, über einen sauberen Haarschnitt, zwei Reihen gesunder, weißer Zähne, zwei Anzüge, von denen einer sich stets in der Reinigung befand, sowie über ein einziges Paar schwarzer Lederschuhe, welche dieser Mann nicht nur täglich putzte, sondern mit ihnen in der denkbar schonendsten Weise dahinschritt, beziehungsweise bemüht war, überhaupt sowenig als möglich zu schreiten. Fett wurde er dennoch nicht.
    Dieser Mann verbrachte viele seiner Tage und manchmal auch Abende in den Foyers der Luxushotels. Er war – das ist wichtig zu erwähnen – weder ein Hochstapler noch ein Zechpreller. Wenn er einen Drink bestellte, was natürlich sehr selten vorkam, dann bezahlte er ihn auch. Zumeist aber saß er in diesen wunderbar bequemen und oft auch ästhetisch wertvollen Sitzgelegenheiten und tat, was auch die anderen taten, indem er in Zeitungen blätterte, ein wenig döste, in wacheren Momenten einen weltmännisch überlegenen Blick entwickelte und im übrigen das eine oder andere kleine Gespräch führte, das sich zufällig ergab. Natürlich nutzte er auch die sanitären Einrichtungen im Umfeld dieser Hotelhallen und wußte besser als jeder andere die Qualitäten, aber auch Nachlässigkeiten der einzelnen Nobelherbergen zu bestimmen. Er hätte ein Buch darüber verfassen können. Daß er dies nicht tat – obgleich er sehr wohl über die sprachlichen Fähigkeiten verfügte –, zeigt, welche noble Gesinnung dieser Mann besaß.
    Er hielt öffentlich

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