Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
sehr viel reservierter als beim ersten Mal. Sie fragte, was sie für den Herrn Chefinspektor tun könne.
    »Zunächst mal uns freundlich hereinbitten«, empfahl Lukastik.
    Anstatt genau dies zu tun, erklärte die Dame, daß soeben die Eröffnung eines Kongresses im Gange sei. Eines ausgesprochen wichtigen Zusammentreffens herausragender Experten. Der Bürgermeister habe gerade seine Begrüßungsworte gesprochen. Und nun warte man mit der allergrößten Spannung auf den Eröffnungsvortrag von Ilsa Danrall. Sie werde ihre neuen Erkenntnisse bezüglich extradimensionaler Räume…
    Sie unterbrach sich selbst: »Wissen Sie überhaupt, von wem ich spreche?« Dabei betrachtete sie Lukastik, als überlege sie, ob es dieses Jahr besser wäre, den Klärschlamm auszulagern oder im Ort zu behalten.
    Lukastik lächelte mit der rechten Hälfte seiner Zähne. Natürlich wußte er, wer Ilsa Danrall war. Sie war genau das, was die Leute heutzutage liebten. Ein Genie, das sexy war. Eine langhaarige Blondine, die gerne als drahtig bezeichnet wurde, vielleicht weil das so gut zur String-Theorie paßte. Man sah Frau Danrall am liebsten neben diesem Mann im Rollstuhl. Wie wunderbar schräg! Ein in seinem verfallenden Körper eingeschlossener Physiker und ein sauberes Blondi, und beide genial. Das war ein Bild, das die Leute völlig high machte. Sicher sehr viel higher als vierdimensionale Teilchen und dazu Gleichungen, deren bloßer Anblick deprimierte.
    »Hören Sie«, sagte Lukastik, »von mir aus können Sie mich für blöd halten, aber stehlen Sie mir nicht die Zeit. Es ist bedeutungslos, ob ich weiß, wer Ilsa Danrall ist. Schließlich will ich nicht zu ihr, sondern zu Dora Kolarov. Ich möchte also nicht das Genie stören, sondern die Putzfrau. Das müßte sich doch machen lassen, oder?«
    »Es ist jetzt aber trotzdem ungünstig.«
    »Um so länger man wartet, um so ungünstiger wird es«, erklärte Lukastik und ging an der Bürgermeisterdame vorbei in das Innere des Götz . Olander folgte ihm. Die Dame hinter ihnen her. Sie sagte, sie werde sich beschweren.
    »Gerne. Aber vorher bringen Sie uns zu Frau Kolarov.«
    »Ich denke nicht daran.« Sie wandte sich um, trat durch eine Türe und war auch schon verschwunden.
    »Ein echter Schatz, diese Frau«, kommentierte Lukastik. »Na, wir werden das schon alleine hinkriegen.«
    Lukastik setzte voraus, daß eine Hausmeisterwohnung ebenerdig untergebracht war, doch es erwies sich, daß der unterste Bereich – entlang der drei fensterlosen Seiten – allein aus Toiletten, Ruhe- und Fernsehräumen und einer kleinen Kapelle bestand. Zur gläsernen Front hin, die einen weiten Blick auf die tief abfallende Karstlandschaft gewährte, befand sich ein großer Saal, der aber leer war, da die Veranstaltung der theoretischen Physiker im zweiten Stock abgehalten wurde. Wohin sich Lukastik und Olander nun begaben und den vollen Konferenzsaal betraten. Obgleich sie es vorsichtig taten und die Türe sich vollkommen geräuschlos bewegte, wandten sich die Köpfe sämtlicher Zuhörer in ihre Richtung. Für einen Moment war der Vortrag Ilsa Danralls über extradimensionale Räume durch jenen gewissermaßen ebenfalls extradimensionalen Raum unterbrochen, welchen Lukastik und Olander als Duo bildeten. Eine kleine, beutelartige Sphäre, in der ein Polizist und ein Trinker steckten.
    Die beiden »Beutler« sahen sich kurz um, verließen wieder den Saal und gelangten durch einen breiten Gang in einen futuristisch eingerichteten Speisesaal und von dort in eine Küche, wo endlich Menschen standen, die so aussahen, als könnte man sie auch ansprechen.
    Lukastik zog seinen Dienstausweis und hielt ihn einem Mann entgegen, der hier entschied, wieviel Trüffel auf die Teller kam.
    »Ich suche Dora Kolarov«, sagte Lukastik.
    »Oberstes Stockwerk«, antwortete der Chefkoch, ein Mann mit einem Gesicht, das vom vielen Kochen einen gedünsteten Eindruck machte. Und einen beleidigten. Gedünstetes Fleisch ist immer auch beleidigtes Fleisch.
    »Wo genau?« fragte Lukastik.
    »Das blaue Zimmer. Sie können es nicht verfehlen.«
    Über eine Treppe, die mit breiten, luftig angeordneten Stufen aus dem Speisesaal nach oben führte, stiegen Lukastik und Olander hoch, dorthin, wo die Zimmer der Symposiumsteilnehmer lagen. In den weißen Wänden steckten Türen aus dem gleichen roten Glas wie unten am Eingang. Keine Zimmernummern, auch sonst nicht die geringsten Unterscheidungsmerkmale. Dafür aber am Ende eines der drei Gänge

Weitere Kostenlose Bücher