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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Der Anblick schien so ungemein grotesk, so wunderbar zauberisch. Beziehungsweise ganz normal, wenn man sich einfach das Faktum wegdachte, daß man sich fast dreihundert Meter unter der Seeoberfläche befand und nichts anderes betrachtete als einen kleinen Teich.
    Das U-Boot glitt nun über diesen Teich, der mit einer öligen Schicht bedeckt schien. Aber das kam wohl vom vielen Salz, vermutete Marlies Herstal, die sich rasch wieder gefangen hatte und sogleich über dieses Wunder der Natur zu spekulieren begann. Ganz neu war es ja nicht. Herstal berichtete darüber, daß man 1990 einen derartigen »inneren See« im Golf von Mexiko entdeckt hatte. Dort schien es sich um Süßwasser zu handeln, welches möglicherweise von einem Unwetter stammte, nach unten gespült und mittels des gewaltigen Drucks in eine wannenartige Vertiefung gepreßt worden war, um nun in achthundertzwanzig Metern ein autonomes Dasein zu führen. Solcherart war ein vom Sonnenlicht völlig unabhängiges Biotop entstanden, das man im Kontrast zu den »heißen Schloten« »kalte Quellen« nannte.
    Gut, hier war nicht der Golf von Mexiko, hier fegten keine Tornados übers Meer und schraubten Süßwasser in Salzwasser, bis dann die Schraube an der tiefsten Stelle steckenblieb. Hier war Mitteleuropa, hier war ein Süßwassersee. Und genau darum hatte Marlies Herstal sogleich vermutet, daß es sich bei diesem »See im See« um Salzwasser handeln müsse, welches schwerer war als das umgebende Süßwasser. Wie auch immer es an diesen Ort gekommen war.
    »Nehmen Sie eine Probe«, wies sie den Piloten an.
    »Sollten wir nicht vorsichtig sein?« fragte dieser, kein Wissenschaftler, sondern Journalist und Abenteurer. – Die heutigen Abenteurer neigen zur Besorgnis. Sie würden in keinen fremden Schlafsack kriechen, ohne sich vorher gegen jegliche Art von Hepatitis-Viren geimpft zu haben. Das ist sicher vernünftig, aber was hat es noch mit Abenteuer zu tun? Solche Leute machen sich in die Hose, wenn sie auf den Mars fliegen, ohne ihr Handy mitnehmen zu dürfen.
    Marlies Herstal war da anders. Sie hätte sofort ihr Leben riskiert – und das von einem jeden anderen auch –, um die Wahrheit herauszufinden. Darum wiederholte sie: »Eine Probe! Sind Sie taub?«
    Der Pilot verzog den Mund, fuhr jedoch einen der Roboterarme aus, an dessen »Handgelenk« ein automatisch sich öffnender und schließender Behälter montiert war. Der Arm fuhr nach unten und glitt von einem Wasser in das andere, ohne daß die Grenze zwischen beiden in Unordnung geraten wäre.
    »Perfekt«, sagte Lukastik. Er meinte die zwei nassen Elemente, die sich wie ein altes Ehepaar verhielten. Ein Ehepaar, das keinen Sex mehr nötig hatte. Und auch keinen Streit.
    Olander hingegen schwieg. Ihm war dies alles völlig gleichgültig. Selbst wenn man ein Rudel Plesiosaurier entdeckt hätte. Na und? Er dachte an Clara. Das Kind stand dort oben am Ufer. Hand in Hand mit der Frau, die ihn, Olander, betrogen und hereingelegt hatte. Das war es, was ihn beschäftigte. Das war es, was ihm die Luft nahm. Und nicht dieses bißchen Wasser an – zugegeben – ungewöhnlicher Stelle.
    Der Pilot steuerte den Roboterarm samt dem gefüllten und geschlossenen Behälter wieder aus dem Unterwassersee heraus.
    »Hören Sie«, wandte sich Herstal an alle drei Männer im Boot, »mir wäre lieber, wenn zunächst einmal nicht darüber gesprochen wird, was wir hier gesehen haben. Ich will vorerst die Probe auswerten, damit wir so ungefähr sagen können, womit wir es eigentlich zu tun haben. Es wäre also dumm, die Leute schon jetzt verrückt zu machen. Können wir uns darauf einigen?«
    »Von mir aus«, sagte Lukastik, »genaugenommen geht dieser Unterwassersee die Polizei nichts an. Zumindest solange nichts darin gefunden wird, was mit unserem Skelettfund zusammenhängt.«
    Die 333 trieb noch einige Male um das Gewässer herum. Man sah jetzt, daß der Uferrand aus einem schwammartig durchlöcherten Gestein bestand. Aber keine Spur von sichtbarem Leben, das sich in diesem Bereich niedergelassen hatte, während der Mariensee ja an anderen Stellen durchaus über ein solches verfügte.
    Der furchtsame Pilot erinnerte an den Zeitplan. Herstal nickte. Wehmütig sah sie auf den dunklen Flecken.
    Ein weiterer See wurde nicht entdeckt, auch kein zusätzlicher Hinweis auf Andrea Pero. Von einer Seeschlange ganz zu schweigen. Doch wie sich bald herausstellen sollte, war jene Probe, die man aus dem Unterwassersee gezogen hatte, sehr

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