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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Borchmeyer
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intime, doch streng – auch gegenüber Bülow – verheimlichte Beziehung zwischen Wagner und Cosima. Am 10. April 1865, an selben Tag, an dem die Orchesterproben für die Uraufführung von Tristan und Isolde beginnen, wird Isolde, das erste gemeinsame Kind Wagners und Cosimas, geboren. Wann Bülow erfahren hat, dass sie nicht sein eigenes Kind war, ist ungewiss. Über Wagners Vaterschaft wird jedenfalls zu seinen und Bülows Lebzeiten (dieser ist 1894 in Kairo gestorben) der Schleier des Geheimnisses gebreitet, und Cosima hat ihn zeitlebens nicht gelüftet. Zwanzig Jahre nach dem Tode Bülows, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, strengte Isolde einen Prozess gegen ihre Mutter an, der ihre Abstammung von Wagner klarstellen sollte. Aus juristischen Gründen verlor sie, die 1900 den Schweizer Dirigenten Franz Beidler geheiratet hatte (aus der Ehe ging 1901 der Sohn Franz Wilhelm Beidler hervor), 1914 den Prozess, blieb mit ihrem Sohn also von der Erbfolge ausgeschlossen und war bis zu ihrem frühen Tod 1919 mit der ganzen Familie Wagner zerfallen. Der Beidler-Prozess hat unmittelbar vor Ausbruch des Kriegs als letzter Skandal einer auf den Untergang zutreibenden Welt die Presse in aller Welt beschäftigt.
    Die A ff äre zwischen Cosima und Wagner war nicht zuletzt ein Verrat an Ludwig II., der denselben zutiefst verletzt und sein Vertrauen in Wagner nachhaltig erschüttert hat. In einem Schreiben an den König vom 7. Juni 1866 – mehr als ein Jahr nach der Geburt Isoldes – fl eht Cosima ihn kniefällig um eine ö ff entliche Ehrenerklärung an, nachdem der Volksbote ihr Verhältnis zu Wagner anzüglich kommentiert hat. Obwohl sie bereits ein zweites Kind von Wagner erwartet (Eva), stellt sie sich als verfolgte Unschuld dar, die Wagner nur, wenngleich glühend, platonisch liebt. Der König glaubt ihr, hat er sich doch das geradezu metaphysische Ideal einer geschlechtslosen trinitarischen Beziehung zwischen Wagner, Cosima und sich selber gebildet. So bittet er die »hochverehrte Frau« am 14. November 1865, »mit mir vereint, Ihm zu sein, was dem Menschen möglich, für einen Angebeteten, Heiligen. –« (Martha Schad [Hrsg.], Cosima Wagner und Ludwig II. von Bayern. Briefe , Köln 1996, 55.) »O wären auch Wir schon, Wir 3 im weiten Land, das alle Welt umspannt, fern der Sonne, fern der Tage Trennungsklage«, schreibt er der Freundin tristanisierend am 5. März 1866 (ebd. 186). Und so verfasst er ohne Zögern die er fl ehte Ehrenerklärung in Gestalt eines ö ff entlichen Briefes an Hans von Bülow.
    Dass er schändlich hintergangen wurde, hat ihn schwer getro ff en. Gleichwohl hat er sich entschlossen, dem sein königliches Wort missbrauchenden Paar schließlich zu verzeihen, versichert er Cosima doch am 15. März 1869, »wie treu und innig ich an Ihnen hänge, denn nach dem Freunde sind Sie mir das theuerste, verehrungswürdigste Wesen auf Erden« (ebd. 516). Die Liebe des Königs zu Wagner spiegelt sich – eine Parallele zur Beziehung Nietzsches zum Hause Wagner in der Tribschener Zeit – immer wieder in der Liebe Cosimas zu Wagner, und tatsächlich hat ihre Liebe eine tiefe Gemeinsamkeit. Beide haben immer wieder die Überzeugung ausgesprochen, einzig in ihrer Beziehung zu Wagner wahre Liebe erfahren zu haben. »Ich liebe kein Weib, keine Eltern, keinen Bruder, keine Verwandten, Niemanden innig u. von Herzen, aber Sie! Sie, mein Angebeteter, Einziger!«, schreibt Ludwig am 21. April 1866 an Wagner (LW II, 21), und Cosima notiert am 23. März 1871 in ihrem Tagebuch, »daß ich weder Vater noch Mutter gehabt. Alles ist mir R. gewesen, er einzig hat mich geliebt« (CT I, 373).
    Cosima war für Ludwig II. – der ausführliche Briefwechsel mit ihr lässt es immer wieder ahnen – das Medium, in dem er sich Wagner oft leichter nähern konnte als durch direkten Umgang mit ihm. Mit ihr, die Vorfahren aus französischem Uradel vorweisen konnte, die von Kindheit an in die aristokratische Schule der Verstellung, der Selbstinszenierung und der Wahrung der »Dehors« gegangen war, konnte der König vielfach besser umgehen als mit dem ›Ingénu‹ Wagner, seinen impulsiven, die Umgangsregeln der großen Welt sprengenden Verhaltensweisen. Wagner machte sich das zunutze und Cosima gewissermaßen zu seiner »Kabinettssekretärin«, wie Franz Wilhelm Beidler sie in seiner Biographie der Großmutter genannt hat. Für den König wie für Wagner spielte Cosima jedenfalls eine wichtige diplomatische Mittlerrolle, immer wieder

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