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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Borchmeyer
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vielfältigem Dank verp fl ichtet war, nicht funktionalisieren lassen. So hatte er im Jahr zuvor ein verwandtes Angebot Maximilians von Thurn und Taxis ebenfalls ausgeschlagen. Gleichwohl gab ihm Willes Vorstoß o ff ensichtlich zu denken, wie seine baldige Sinnesänderung unter dem Ein fl uss der preußischösterreichischen Auseinandersetzungen zeigt. Schon drei Tage nach der Antwort an Wille richtet er den Appell an August Röckel, seine politischen Ho ff nungen auf Preußen zu setzen: »halte Dich an Bismarck u. Preussen. Hilf Gott, ich weiss nichts Andres.« (SB XVIII, 187)
    Die pro-österreichische Einstellung der bayerischen Kabinettspolitiker, mit Ludwig von der Pfordten an der Spitze, war natürlich in Preußen wohlbekannt. Bismarck und Wille suchten deshalb durch Wagners Vermittlung einen Politiker in die bayerische Regierung einzuschleusen, der Preußen zugetan wäre. Bismarcks Favorit in Bayern war Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Fürst von Ratibor und Korvei, später deutscher Botschafter in Paris (im Jahre 1874), Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident (1894). Auf ihn setzte auch Wagner große Ho ff nungen, glaubte er doch in ihm – im Gegensatz zu seinem Erzfeind Pfordten, der in ihm immer noch den alten ›Achtundvierziger‹ sah – einen Bundesgenossen für seine Kunst zu fi nden. Als er zudem merkte, dass es vergebens wäre, weiter gegen Preußen zu opponieren, folgte er Bismarcks Wünschen und schlug Ludwig II. in seinem Brief vom 26. Juli 1866 – als der Kriegsausgang noch o ff en war – förmlich vor, umgehend den für seine Preußen-Sympathien bekannten Fürsten Hohenlohe an die Spitze des Kabinetts zu berufen. »Berufen Sie sofort den Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst zu Sich, – theilen Sie Sich ihm eingehend mit, berathen Sie Sich mit ihm.« (SB XVIII, 200) Diese Bitte wiederholte Wagner geradezu »auf den Knien« am folgenden Tag: »Neue Menschen! Neue Menschen! Sie sind verrathen, wenn Sie diess nicht thun. – Halten Sie getrost Jeden für Ihren Feind, wer Ihnen gegen die Berufung des Fürsten Hohenlohe spricht. […] Der Fürst ist ein vornehmer, unabhängiger, ernstgebildeter, liberaler Mann: jedenfalls ein Mann, der eine Meinung hat […] – ich beschwöre Sie: empfangen Sie den Fürsten persönlich!« (SB XVIII, 201 f.)
    Als Anfang August über die Bildung eines neuen bayerischen Kabinetts beraten wurde, war Ludwig noch keineswegs bereit, diesem Vorschlag zu folgen. Obschon Wagner – aufgrund von François Willes Ein fl ussnahme steht fest: wider besseres Wissen – behauptet hatte, dass sein Kandidat »unabhängig« sei, sah man hinter dem Fürsten Hohenlohe die schwarz-weiße Fahne des Feindes wehen, und so konnte der König sich noch nicht entschließen, sich von Pfordten zu trennen. Zu diesem Zeitpunkt stand die Lösung zwischen Preußen und Bayern noch aus, da der Friedensvertrag zu Prag erst am 23. August geschlossen wurde. Danach hatte Ludwig II., was die Kabinettsspitze betraf, keine Wahl mehr. Bayern behielt zwar laut Friedensschluss – genau wie Baden und Württemberg – seine Selbständigkeit, weil Preußen die süddeutschen Staaten für sich zu gewinnen suchte. Eines der wichtigsten Mittel dazu aber war die Berufung von preußenfreundlichen Beamten in die bayerische Regierung. Diese Politik erwies sich beim Ausbruch des preußisch-französischen Krieges als hellsichtig. Tatsächlich trat P fi stermeister am 5. Oktober 1866 zurück, um seinen Stuhl zugunsten von Max von Neumayr zu räumen. Auch Pfordten blieb nichts anderes übrig, als am 19. Dezember sein Abschiedsgesuch zu stellen. Hohenlohe trat am 31. Dezember 1866 sein Amt an. Endlich war es Preußen gelungen, einen – zufällig auch Wagner genehmen – Politiker an die Spitze der bayerischen Regierung zu lancieren. Dass Wagner dabei eine entscheidende Rolle spielte, ist nicht zu bestreiten, ja der Fürst Hohenlohe musste sich gegen die Vorhaltung wehren, er sei ein Ministerpräsident von Wagners Gnaden. Gleichwohl wurde Wagner in München einmal mehr mit Lola Montez verglichen: wie deren Ein fl uss einst eine liberale Umbesetzung im Kabinett Ludwigs I. zur Folge gehabt hatte (das sogenannte »Lola-Ministerium«), so schien es auch jetzt zu sein. Kein Wunder, dass der neue Ministerpräsident auf solche Mutmaßungen emp fi ndlich reagierte.
    Durch die neue politische Konstellation war es mit dem Wagner-Tabu am Königlichen Hof- und Nationaltheater wieder vorbei. München ist durch Ludwig II.

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