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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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Sein großer Kopf schien unmittelbar auf seinen massigen Schultern zu sitzen, und seine Brust schien sich zu wölben wie der Panzer einer Krabbe. Mit seinen runden, ein wenig hervortretenden Augen sah er Ma Jung prüfend an.
    »Wer seid Ihr?« fragte Ma Jung verwundert.
    »Ich bin die Krabbe«, erklärte der Riese mit seiner schleppenden Stimme. »Mein Kollege hier wird der Krebs genannt, Euch zu dienen.«
    »Habt Ihr nicht noch einen dritten namens Salz?« fragte Ma Jung »Nee. Warum?«
    »Damit ich Euch allesamt in einen Topf mit kochendem Wasser stecken und mir ein Mahl bereiten kann«, erwiderte Ma Jung geringschätzig.
    »Sei doch mal so gut und kitzle mich«, forderte die Krabbe den Buckligen gelangweilt auf. »Der Herr Kunde erwartet, daß ich über seinen Witz lache.«
    Der Krebs achtete nicht auf ihn. Indem er über seine dünne, spitze Nase zu Ma Jung aufblickte, fragte er scharf:
    »Könnt Ihr nicht lesen? Das Plakat da drüben besagt, daß die Spieler in bar zu regulieren haben. Um alle Unannehmlichkeiten zu vermeiden, müssen uns Neuankömmlinge nachweisen, daß sie ein Spiel halten können.«
    »Gar nicht so unvernünftig«, gab Ma Jung widerstrebend zu. »Ihr gehört also zum Betrieb, he?«
    »Ich und der Krebs sind Aufpasser«, erklärte die Krabbe ruhig. »Angestellte des Vorstehers, Herrn Feng Dai.«
    Ma Jung maß das ungleiche Paar mit lauernden Blicken. Dann bückte er sich und holte seinen Amtspaß aus dem Stiefel hervor. Er reichte ihn der Krabbe und erklärte:
    »Ich arbeite für Amtmann Di von Pu-yang, zurzeit bevollmächtigter Beisitzer an diesem Ort. Gern würde ich mich mit Euch in aller Ruhe besprechen.«
    Die beiden lasen den Paß aufmerksam durch. Die Krabbe gab ihn an Ma Jung zurück und sprach seufzend:
    »Das hat uns die Kehle ausgedörrt. Wir wollen uns auf den Balkon setzen, Herr Ma, und einen Trunk mit einem Imbiß genehmigen. Aufs Wohl des Hauses.«
    Die drei Männer setzten sich in einen Winkel, von wo aus die Krabbe die Spieler im Saal im Auge behalten konnte. Sehr bald hatte ein Kellner eine ansehnliche Platte mit einem Berg gebratenen Reises vor sie hingestellt, dazu drei zinnerne Weinkrüge.
    Während sie die üblichen Höflichkeiten austauschten, kam es zutage, daß Krabbe und Krebs ihr ganzes Leben auf der Paradiesinsel zugebracht hatten. Die Krabbe war ein Boxer achten Grades, und bald hatten sich er und Ma Jung in eine fachgemäße Unterhaltung über die verschiedensten Hiebe und Griffe vertieft. Der kleine Bucklige nahm an diesem technischen Gespräch nicht teil; dafür widmete er sich dem Reis, der mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit verschwand. Als auf der Platte kein Körnchen übriggeblieben war, tat Ma Jung einen langen Zug aus seinem Weinbecher, lehnte sich im Stuhl zurück und sagte, indem er gutgelaunt seinen Bauch beklopfte:
    »Nachdem wir nun unsre vorbereitenden Aufgaben erfolgreich erledigt haben, fühle ich mich stark genug, mich mit den amtlichen Geschäften zu beschäftigen. Was wißt ihr Burschen über den Akademiker Li?«
    Die Krabbe wechselte einen schnellen Blick mit dem Krebs. Letzterer sagte:
    »Also hinter dieser Sache ist Euer Chef her, he? Gut, um gleich zum Kern zu kommen, sage ich, daß der Akademiker seinen Aufenthalt hier am Ort schlimm begann und ebenso schlimm beendete. Zwischendurch hatte er aber verdammt viel Spaß, soviel ich weiß.«
    Laute eines Streites kamen jetzt aus dem Saal. Im Nu war die Krabbe auf und drüben, so daß man sich bei einem so gewichtigen Mann nur darüber verwundern konnte. Der Krebs leerte seinen Becher und nahm den Faden des Gesprächs von neuem auf:
    »So war es also. Vor zehn Tagen, am Achtzehnten, kam der Akademiker mit seinen fünf Freunden hier an; für die Reise von der Hauptstadt hatten sie ein großes Boot benutzt. Zwei Tage hatten sie auf dem Fluß zugebracht und sich mit nichts anderem beschäftigt als mit Trinken und Feiern, vom frühen Morgen an bis spät in die Nacht hinein. Der Bootsmann nahm sich getreulich der Überreste an, so daß allesamt betrunken waren. Dann kam dicker Nebel auf, ihr Boot rammte eine Dschunke, die unserm Chef Feng gehörte und an deren Bord dessen Tochter war. Sie befand sich auf der Rückreise von einem Besuch bei Verwandten stromaufwärts. Es entstand beträchtlicher Schaden, wodurch sie nicht vor der Morgendämmerung an der Landungsbrücke anlegen konnten. Der Akademiker mußte sich zur Zahlung einer runden Summe verpflichten für den von ihm verschuldeten Schaden. Das

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