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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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bei Fräulein Ling gelernt, die in vergangenen Tagen eine berühmte Kurtisane am Ort war. Für Musik werdet Ihr zwar nichts übrig haben, wie ich vermuten möchte. Geht gegen Mitternacht zum Blauen Turm, jetzt ist’s noch zu früh, da sie auf irgendeinem Festmahl Gesellschaft leisten muß. Dann könnt Ihr Eure Sprechmätzchen zeigen. Braucht Ihr auch dafür unsern Rat?«
    »Noch nicht! Auf jeden Fall, schönen Dank für den Tip. Wenn man Euch hört, scheint Ihr Euch um Frauen nicht sonderlich zu scheren, nicht?«
    »Stimmt«, pflichtete der Krebs bei. »Kein Bäcker ißt den eignen Kuchen oder?«
    »Richtig, jedenfalls nicht alle Tage«, gab Ma Jung zu. »Doch ab und zu wird er schon einen Happen nehmen, denk’ ich. Nur um abzuschmecken, ob sein Teig nicht sauer geworden ist. Ohne Unterröcke hätte das Leben keinen Reiz, so meine ich wenigstens.«
    »Es gibt Kürbisse«, warf die Krabbe ernsthaft dazwischen.
    »Kürbisse?« rief Ma Jung verwundert aus.
    Die Krabbe nickte schwerfällig. Er holte einen Zahnstocher aus dem Rockaufschlag und bearbeitete seine Zähne.
    »Wir ziehen welche in unserem Garten«, erklärte der Krebs. »Die Krabbe und ich besitzen ein kleines Haus am Flußufer, drüben auf der Westseite der Insel. Wir haben ein hübsches Stückchen Land, und auf dem lassen wir Kürbisse wachsen. In der Morgenfrühe kommen wir nach Hause, begießen unsre Kürbisse und gehen dann schlafen. Am späten Nachmittag wachen wir auf, jäten das Land, begießen wieder und kehren hierher zurück.«
    »Jedermann nach seinem Geschmack! Ein bißchen eintönig, will mir scheinen!«
    »Falsch«, sagte die Krabbe feierlich. »Ihr müßtet sie beim Wachsen beobachten! Keine zwei Kürbisse sind sich ähnlich. Niemals!«
    »Erzähl ihm, wie wir die Kürbisse vor zehn Tagen begossen«, sagte der Krebs so nebenher. »Am Morgen fanden wir Raupen auf den Blättern.«
    Die Krabbe nickte. Er besah sich seinen Zahnstocher und sagte dann:
    »Am gleichen Morgen sahen wir, wie das Boot des Akademikers am Landungssteg festmachte, ja, so war’s. Der Quai liegt unserm Kürbisgarten gerade gegenüber, müßt Ihr wissen. Dort führte Wen, der Kuriositätenhändler, ein langes Gespräch mit dem Akademiker. Verstohlen, hinter Bäumen verborgen. Nun kaufte der Vater des Akademikers gewöhnlich eine ganze Menge von Wen, so war der Mann dem Sohn bekannt. Nur glaub’ ich nicht, daß die beiden über Antiquitäten sprachen, dem Anschein nach wenigstens. Wir hören mit dem Beobachten niemals auf, seht Ihr. Nicht mal in unsrer Freizeit und auch nicht, wenn es Raupen gibt, die unsren Kürbissen zu Leibe gehen.«
    »Wir sind getreue Diener unseres Herrn Feng«, setzte der Krebs hinzu. »Seinen Reis haben wir während der letzten zehn Jahre gegessen.«
    Die Krabbe warf den Zahnstocher fort und erhob sich.
    »Jetzt möchte Herr Ma ein Spielchen machen«, sagte er. »Womit wir an den Ausgangspunkt unsrer Unterredung zurückkehren. Wieviel könnt Ihr riskieren, Herr Ma?«

Fünftes Kapitel
    Ma Jung spielte ein paar Runden mit drei würdigen Reishändlern. Er bekam ziemlich gute Karten, doch hatte er keine rechte Freude. Er zog ein geräuschvolles Spiel vor, das von kräftigen Ausrufen und herzhaften Flüchen gewürzt wurde. Zuerst gewann er etwas, dann verlor er es wieder. Das war für ihn der geeignete Augenblick, die Partie abzubrechen. Er stand vom Tische auf, sagte der Krabbe und dem Krebs Lebewohl und schlenderte zurück zur »Kranichlaube«.
    Dort teilte ihm der Wirt mit, daß sich das Festmahl des Vorstehers Feng seinem Ende nähere und daß zwei Gäste und die Kurtisanen die Gesellschaft bereits verlassen hätten. Er bat ihn, sich auf die Bank neben dem Ladentisch zu setzen und eine Schale Tee zu trinken.
    Bald darauf sah er den Richter Di die breite Treppe heruntergehen, begleitet von Feng Dai und Tau Pan-te. Während ihn die beiden Männer zu seiner Sänfte geleiteten, sprach der Richter zu Feng:
    »Morgen früh gleich nach dem Frühstück komme ich zu Euch ins Büro, um die formelle Gerichtssitzung abzuhalten. Sorgt bitte dafür, daß alle auf den Selbstmord des Akademikers Bezug nehmenden Unterlagen für mich zur Hand sind. Auch der Leichenbeschauer soll dabei anwesend sein.«
    Ma Jung half dem Richter beim Besteigen der Sänfte.
    Während sie durch die Straßen getragen wurden, erzählte Richter Di seinem Gehilfen, was er über den Selbstmordfall erfahren hatte. Zartfühlend überging er dabei seine Entdeckung der Verstrickungen, in die

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