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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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meinte ich mit meinen Worten über den schlimmen Anfang seines Aufenthaltes auf der Insel, sehen Sie? Darauf kehrten sie alle in der Herberge zur ›Ewigen Wonne‹ ein, und der Akademiker nahm für sich den Roten Pavillon.«
    »Das ist dasselbe Quartier, das mein Chef bezogen hat!« rief Ma Jung aus. »Doch fürchtet er sich nicht vor Gespenstern. Vermutlich war es dort, wo der Akademiker Selbstmord beging?«
    »Selbstmord habe ich mit keinem Wort erwähnt, auch von Gespenstern war nicht die Rede«, bemerkte der Bucklige bissig.
    Die zu ihnen zurückkehrende Krabbe hörte die letzten Worte.
    »Wir sprechen nicht gern von Gespenstern«, sagte er, indem er sich setzte. »Und dann, der Akademiker beging nicht Selbstmord.«
    »Wieso?« fragte Ma Jung verwundert.
    »Weil ich«, fuhr der Krebs fort, »als Beobachter ihn eben … beobachtete. Hier, am Spieltisch. Blieb kalten Blutes, im Gewinnen wie im Verlieren. Kein Selbstmördertyp. Das ist wieso!«
    »Zehn Jahre lang beobachten wir nun die Leute hier, versteht Ihr?« setzte die Krabbe hinzu. »Kennen sämtliche Typen, jede einzelne Schattierung. Nehmt jenen jungen Poeten, Herrn Kia Yu-po. Verlor seinen ganzen Zaster, den letzten Kupferling, alles weg an einem Abend. Ist der empfindliche, leicht erregbare Typ. Könnte Selbstmord begehen im Handumdrehen. Aber der Akademiker? Nein, Herr. Er nicht! Niemals.«
    »Ließ er sich nicht mit einer Frau ein, trotz alledem?« bemerkte Ma Jung. »Weiber bringen einen Mann oft dahin, daß er sich wie ein Verrückter aufführt. Wenn ich bedenke, zu was sie mich manchmal verleitet haben …«
    »Er beging nicht Selbstmord«, wiederholte die Krabbe beharrlich. »Er war ein kalter, berechnender Wechselbalg. Wenn ihn eine Dirne hereinlegen wollte, spielte er ihr einen gemeinen Trick. Aber sich umbringen, keinesfalls!«
    »Dann kommt nur Mord in Frage!« sagte Ma Jung trocken.
    Empört wehrte die Krabbe ab. Er fragte den Krebs:
    »Wer redet hier von Mord, ich etwa?«
    »Du nicht«, bestätigte der Bucklige bestimmt.
    Ma Jung zuckte die Achseln.
    »Wer war die Dirne, mit der er schlief?« fragte er.
    »In der Woche seines hiesigen Aufenthaltes kam er häufig mit unsrer Blumenkönigin zusammen«, antwortete der Krebs, »doch besuchte er auch oft Rote Nelke, die in der nächsten Straße wohnt, und Jadeblume und Pfingstrose. Er mag mit ihnen, wie Ihr Gesetzeshüter es nennt, geschlechtlichen Verkehr gehabt haben oder aber nur mit ihnen geschäkert haben, auf die spielerische Tour. Fragt die Mädchen, nicht mich. Ich war nicht dabei, um ihnen die Beine festzuhalten.«
    »Das könnte eine interessante Einzelheit bei der Untersuchung geben!« grinste Ma Jung. »Auf jeden Fall brachten sie eine vergnügte Zeit dahin, mit Schäkern oder auf andere Weise. Was geschah nachher?«
    »Vor drei Tagen, es war am Morgen des Fünfundzwanzigsten«, fuhr der Krebs fort, »mietete der Akademiker ein Boot für seine fünf Freunde und schickte sie zur Hauptstadt zurück Dann kehrte er heim zum Roten Pavillon und nahm dort sein Mittagessen ein, allein. Er verbrachte den Nachmittag auf seinem Zimmer; es war das erstemal, daß er nicht zu den Spieltischen ging. Er aß allein zu Abend, ebenfalls zum erstenmal. Dann schloß er sich in seinem Zimmer ein, und eine Stunde später wurde er mit durchschnittener Kehle aufgefunden.«
    »Amen«, sagte die Krabbe.
    Gedankenvoll rieb sich der Krebs die lange Nase. Er fuhr fort:
    »Nun, das meiste hiervon beruht auf Hörensagen, versteht Ihr? Glaubt’s oder glaubt’s nicht. Mit eigenen Augen haben wir nur folgendes beobachtet: der Kuriositätenhändler ging an jenem Abend zu dieser Herberge, so ungefähr nach dem Abendessen.«
    »Er besuchte also den Akademiker!« warf Ma Jung mit Eifer dazwischen.
    »Diese Büttel vom Gericht legen einem die Worte in den Mund, nicht wahr?« beklagte sich der Bucklige bei der Krabbe.
    »Macht der Gewohnheit!« antwortete die Krabbe achselzuckend.
    »Ich sagte, mein Freund«, erklärte der Krebs geduldig, »daß wir es beobachteten, wie Wen zur Herberge ging. Das ist alles.«
    »Du lieber Himmel«, rief Ma Jung aus, »wenn Ihr neben den Besuchern von auswärts auch noch alle Eure bedeutenden Bürger im Auge behalten müßt, so habt Ihr beide bestimmt ein aufregendes Leben!«
    »Nicht alle bedeutenden Bürger behalten wir im Auge«, sagte die Krabbe. »Nur Wen.« Der Krebs nickte nachdrücklich. »Drei Gewerbe sind’s, die das meiste Geld einbringen«, fuhr die Krabbe fort, indem er Ma Jung

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