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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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nötig.«
    Als Feng gegangen war, fragte Richter Di den Wirt:
    »Saht Ihr oder irgend jemand sie in die Herberge eintreten?«
    »Nein, Euer Gnaden. Aber da ist der Pfad, der den Weg von ihrem Pavillon auf dem Euch benachbarten Stück Land abkürzt, und der führt über Eure Veranda.«
    Der Richter trat ans Bett und blickte am Betthimmel hinauf. Er war höher als gewöhnlich. Richter Di beklopfte die hölzerne Täfelung in der Rückwand, doch fand er nirgends einen hohlen Klang.
    Den Wirt, der die Augen nicht von dem nackten Frauenkörper abwenden konnte, wies er barsch zurecht:
    »Steht nicht da, und glotzt nicht! Heraus mit der Sprache: Ist irgendein geheimes Guckloch oder sonst eine verzwickte Vorrichtung in dieser Bettstatt verborgen?«
    »Bestimmt nicht, Herr!« Wieder wanderten seine Blicke zu der toten Frau zurück. Dann stammelte er: »Erst der Akademiker, nun die Blumenkönigin, ach, ich … ich kann nicht begreifen, was …«
    »Auch ich nicht!« schnitt ihm der Richter das Wort ab. »Was ist auf der anderen Seite des Zimmers?«
    »Nichts, Euer Gnaden! Das heißt, es gibt kein anderes Zimmer. Nur die Außenmauer und unser Nebengarten.«
    »Geschahen in diesem Raum jemals seltsame Dinge? Sprecht die Wahrheit!«
    »Niemals, Euer Exzellenz!« wand sich der Wirt. »Seit fünfzehn Jahren führe ich hier die Geschäfte, Hunderte von Gästen haben hier gewohnt, und nie habe ich Klagen bekommen. Ich weiß nicht, wie …«
    »Holt das Gästebuch!«
    Der Wirt machte sich eiligst davon. Fengs Leute traten mit einer Bahre an. Sie hüllten die tote Frau in eine Decke und trugen sie fort.
    Inzwischen durchsuchte der Richter die Ärmel des violetten Gewands. Darin fand er nichts als das übliche Futteral aus Brokat mit Kamm und Zahnstocher, ein Päckchen Besuchskarten von Herbstmond und zwei Taschentüchlein. Dann kam schon der Wirt zurück mit dem dicken Folianten unter dem Arm. »Legt das Buch auf den Tisch«, herrschte ihn Richter Di an.
    Mit Ma Jung allein geblieben, setzte sich der Richter an den Tisch und seufzte schwer.
    Sein riesenhafter Gehilfe nahm die Teekanne aus dem Korb und goß seinem Herrn eine Schale Tee ein. Er zeigte auf den rot verschmierten Rand der anderen Schale und bemerkte leichthin:
    »Sie hat vor ihrem Tod noch eine Schale Tee getrunken, allein, denn die zweite Schale, die ich eben füllte, war innen trocken.«
    Unvermittelt setzte der Richter die volle Schale nieder.
    »Gieß den Tee in die Kanne zurück«, wies er ihn kurz an. »Und sag dem Wirt, er soll ihn von einer kranken Katze oder einem elenden Hund saufen lassen.«
    Nachdem Ma Jung gegangen war, nahm sich Di den Folianten vor und blätterte ihn langsam durch.
    Früher als erwartet kehrte Ma Jung zurück. Er schüttelte den Kopf.
    »Mit dem Tee war alles in Ordnung, Herr.«
    »Sehr schade! Ich dachte, jemand hätte sie vielleicht hierher begleitet und heimlich Gift hineingetan, bevor er wieder ging. Und daß sie davon getrunken hätte, nachdem sie sich eingeschlossen hatte. Das wäre die einzig vernünftige Erklärung ihres Todes.«
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und zupfte ratlos an seinem Bart.
    »Doch was mögen die blauen Quetschungen an ihrem Hals bedeuten, Euer Gnaden?«
    »Die waren nur leicht an der Oberfläche und haben keine tieferen Nagelspuren auf der Haut hinterlassen. Sie könnten natürlich durch irgendein mir unbekanntes Gift entstanden sein, aber bestimmt nicht durch jemand, der sie zu erwürgen versuchte.«
    Bekümmert schüttelte Ma Jung seinen dicken Kopf. Er fragte unsicher:
    »Was konnte ihr nur zugestoßen sein, Herr?«
    »Auffällig sind diese langen, dünnen Kratzer an ihren Armen. Von unbekannter Herkunft, genau wie jene, die man an den Unterarmen des Akademikers gefunden hatte. Sein Tod und der seiner Geliebten in diesem selben Roten Zimmer müssen irgendwie in Zusammenhang stehen. Eine seltsame Sache! Die mir gar nicht gefallen will, Ma Jung.« Er dachte eine Weile nach, indem er den Backenbart strich. Dann richtete er sich auf und fuhr fort:
    »In deiner Abwesenheit, Ma Jung, habe ich das Gästebuch aufmerksam durchgesehen. In den letzten zwei Monaten haben im Roten Pavillon ungefähr dreißig Personen längere oder kürzere Zeit gewohnt. Nun steht bei den meisten Eintragungen am Rand der Name einer Frau, dazu noch ein Geldbetrag in roter Tinte. Weißt du, was das zu bedeuten hat?«
    »Ganz einfach! Es bedeutet, daß solche Gäste hier mit einem öffentlichen Mädchen geschlafen haben. Der

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