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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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zum Herbergsbüro und sag dem Wirt, er soll Feng Dai sofort holen lassen! Aber verrate nichts von unsrer Entdeckung, verstehst du!«
    Nachdem Ma Jung fortgerannt war, spähte der Richter von neuem ins Zimmer hinein. Die roten Vorhänge des Bettes waren beiseite gezogen, genau so wie bei seinem Weggang. Doch neben dem Kissen bemerkte er ein zusammengelegtes weißes Gewand. Weitere einer Frau gehörende Kleidungsstücke lagen, sorgfältig zusammengelegt, auf dem nächsten Stuhl. Ein Paar zierlicher Seidenschuhe stand vor dem Bett.
    »Das arme, eitle Weib!« sagte er mitleidig. »Die Frau war so selbstsicher, und nun ist sie tot!«
    Er wendete sich vom Fenster ab und setzte sich ans Geländer. Gesang und fröhliches Gelächter wehten herüber vom Haus im Park, wo das Vergnügen der Gesellschaft noch in vollem Gange war. Nur wenige Stunden war es her, daß die Blumenkönigin hier am Geländer gelehnt und mit ihrem wollüstigen Körper geprunkt hatte. Sie war eine eitle, hochmütige Frau gewesen, über die man jedoch nicht zu streng urteilen durfte, meinte er. Sie hatte nicht allein Schuld daran. Die übertriebene Verehrung, die körperlicher Schönheit gezollt wurde, der Kult fleischlicher Liebe und das hektische Verlangen nach Gold, das an einem solchen Vergnügungsort herrschte, mußten ja eine Frau verderben und ihr ein Zerrbild aller echten Werte vorgaukeln. Die Königin der Blumen auf der Insel war in Wahrheit ein bemitleidenswertes Geschöpf gewesen.
    Durch die Ankunft des Feng Dai wurde er aus seinen Grübeleien aufgeschreckt. Feng trat auf die Veranda, begleitet von Ma Jung, dem Wirt und zwei stämmigen Männern.
    »Was ist passiert, Herr?« fragte Feng aufgeregt.
    Richter Di zeigte auf das vergitterte Fenster. Feng und der Wirt traten näher heran. Schwer atmend fuhren sie zurück.
    Der Richter erhob sich.
    »Laßt die Tür von Euren Leuten aufbrechen!« befahl er dem Vorsteher.
    Im Vorzimmer stemmten sich die beiden starken Männer gegen die Tür. Aber sie rührte sich nicht. Nun leistete ihnen Ma Jung Beistand, und bald splitterte das Holz um das Schloß in Stücke. Die Tür gab nach und stand endlich weit offen.
    »Bleibt, wo Ihr seid!« befahl Richter Di. Er überschritt die Schwelle und betrachtete von dort die lang hingestreckte Gestalt. Am glatten weißen Körper der Herbstmond konnte er weder eine Verletzung noch Spuren von Blut entdecken. Doch mußte sie auf schreckliche Weise umgekommen sein, denn jetzt sah er, daß ihr Mund furchtbar verzerrt und ihre glasigen Augen aus den Höhlen getreten waren.
    Er trat näher und kniete zur Seite der toten Frau hin. Mit der Hand tastete er unter ihre linke Brust. Der Körper war noch warm, ihr Herz mußte erst vor kurzer Zeit zu schlagen aufgehört haben. Er drückte ihr die Augen zu und untersuchte darauf ihren Hals. An beiden Seiten waren blaue Flecken, jemand mochte sie gewürgt haben. Doch von Eindrücken von Fingernägeln war keine Spur zu bemerken. Er betrachtete ihren vollkommenen Körper. An ihm waren keinerlei Anzeichen von Gewalt zu sehen, nur einige lange, dünne Kratzer an ihren Unterarmen waren sichtbar. Sie schienen frisch zu sein, auch erinnerte sich der Richter genau, keine an ihr bemerkt zu haben, als er sie fast vollständig nackt vor sich auf der Veranda stehen gesehen hatte. Er wendete den Körper auf die andere Seite, doch auch der wohlgeformte Rücken zeigte keine Spuren irgendeiner Gewalttat. Schließlich untersuchte er ihre Hände. Die langen, schön gepflegten Fingernägel waren unverletzt. Unter ihnen stellte er nur spärliche Fussel vom roten Teppich fest.
    Er stand wieder auf und suchte das Zimmer ab. Nichts deutete auf einen etwa stattgefundenen Kampf hin. Nun forderte der Richter die anderen auf, das Zimmer zu betreten.
    »Es ist klar, was sie veranlaßte, nach dem Festmahl hierherzukommen. Offenbar wollte sie die Nacht mit mir verbringen, um eine neue Liebschaft anzufangen. Sie hatte unter dem falschen Eindruck gestanden, daß Amtmann Lo sie loskaufen wollte, und als sie ihren Irrtum erkannte, beschloß sie, es mit mir zu versuchen. Während sie hier auf mich wartete, geschah etwas. Vorderhand wollen wir es Tod durch Unfall nennen, denn soweit ich sehen kann, war es niemandem möglich, ins Zimmer einzudringen. Sagt Euren Leuten, die Leiche zur Autopsie in Euer Haus zu schaffen. Morgen früh werde ich mich in der Gerichtssitzung mit diesem Fall beschäftigen. Ladet Wen Yüan, Tau Pan-te und Kia Yu-po ebenfalls vor, ihr Erscheinen ist

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