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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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stimmte Ma Jung zu. »Aber was ruhig anbetrifft – laßt Euch sagen, daß er zuweilen mächtig in Fahrt kommen kann. Genug, ich werde Euch jetzt auf Euer Zimmer tragen. Wir müssen etwas für Euren Rücken tun.«
    »Nein, in diesem Haus bleibe ich nicht heute nacht!« rief das Mädchen entsetzt aus. »Bringt mich an einen anderen Ort!«
    »Wenn Ihr mir sagt, wohin! Ich kam erst heute nachmittag an und war dauernd stark beschäftigt, so daß ich mich noch nach keinem Quartier umsehen konnte.«
    Sie biß sich vor Ärger auf die Lippen.
    »Warum ist alles immer so schwierig?« fragte sie unglücklich.
    »Fragt meinen Herrn! Ich, meine Liebe, erledige nur die grobe Arbeit.«
    Sie lächelte schwach.
    »Nun gut, bringt mich zum Seidenladen, zwei Straßen weiter von hier. Eine Frau aus unserem Dorf, die Witwe Wang, führt ihn. Sie läßt mich bei sich übernachten, und Euch dazu. Doch erst möchte ich mich zurechtmachen. Helft mir dabei.«
    Ma Jung stützte sie beim Aufstehen und legte ihr das weiße Gewand um die Schultern. Er hob auch die anderen Kleidungsstücke vom Boden auf und führte sie, indem er sie am Arm hielt, ins Badezimmer, das sich im Hinterhaus befand.
    »Wenn jemand kommt und nach mir fragt, so sagt, daß ich ausgegangen sei!« sagte sie ihm schnell, ehe sie die Tür hinter sich schloß.
    Er wartete draußen auf dem Gang, bis sie vollständig angekleidet aus dem Badezimmer trat. Da ihr das Gehen beträchtliche Schwierigkeiten machte, hob er sie auf seine Arme. Ihren Anweisungen Folge leistend, trug er sie durch eine Allee hinter dem Haus und dann durch eine enge Gasse, bis er zur Hintertür des kleinen Ladens gelangte. Er stellte das Mädchen auf die Füße und klopfte.
    In fliegender Eile machte Silberfee der die Tür öffnenden Frau von derbem Aussehen klar, daß sie mit ihrem Freund bei ihr zu übernachten wünsche. Die Frau stellte keine Fragen, sondern führte die beiden zu einer kleinen, aber sauberen Dachkammer. Ma Jung erbat sich noch eine Kanne heißen Tee, ein Handtuch und einen Napf mit Salbe. Dann war er Silberfee beim Auskleiden behilflich und veranlaßte sie, sich auf den Bauch zu legen. Als die Witwe wiederkam und den Rücken des Mädchens erblickte, rief sie entsetzt aus:
    »Armes Ding! Was hat man Euch angetan?«
    »Laßt das meine Sache sein, verehrte Tante!« beruhigte sie Ma Jung und schob sie zur Tür hinaus.
    Mit geübter Hand salbte er die Striemen auf dem Rücken des Mädchens ein. Sie waren nicht gar zu schlimm und würden nach seiner Meinung in einigen Tagen spurlos verschwunden sein. Doch als er zu den blutenden Stellen an ihren Hüften kam, verfinsterte sich sein Gesicht. Er wusch die Wunden mit Tee aus und bestrich sie vorsichtig mit Salbe. Dann setzte er sich auf den einzigen Stuhl in der Stube und erklärte rundheraus:
    »Diese Wunden an Euren Hüften sind niemals durch Schläge mit der Hosenschnur entstanden, mein Mädchen! Ich bin vom Gericht und weiß Bescheid. Ihr solltet mir lieber den wahren Sachverhalt erzählen, nicht wahr?«
    Silberfee verbarg ihr Gesicht unter den verschränkten Armen. Unter ihrem Schluchzen bebte ihr Körper. Ma Jung bedeckte ihren Rücken mit ihrem Kleid und fuhr fort:
    »Was ihr Mädels unter euch selbst austragt, ist eure eigne Sache. Sofern es sich in Grenzen hält, wenigstens. Doch falls euch ein Außenstehender mißhandelt, geht es das Gericht an! Los, sagt mir, wer das getan hat!«
    Silberfee wandte ihm ihr verweintes Gesicht zu.
    »Es ist doch eine so gemeine Geschichte!« murmelte sie unglücklich. »Nun, Ihr wißt, daß die Mädels vom dritten und vierten Rang jeden Kunden nehmen müssen, der den festgesetzten Preis bezahlt. Bei den Kurtisanen zweiten und ersten Ranges ist das anders; sie können sich ihre Liebhaber aussuchen. Ich gehöre zum zweiten Rang. Mich kann man nicht zwingen, meine Gunst einem Mann zu schenken, den ich nicht mag. Natürlich gibt es Ausnahmefälle wie diesen ekligen alten Kuriositätenhändler Wen. Weil er ein so wichtiger Mann am Ort ist, versteht Ihr? Verschiedene Male hat er versucht, sich an mich heranzumachen, aber stets konnte ich mich ihm entziehen. Beim heutigen Festmahl muß er auf Umwegen von Herbstmond herausbekommen haben, daß sie mich, am Pfosten angebunden, im Übungssaal der Kurtisanen zurückgelassen hatte, und nun kam der verhaßte Mensch dorthin, bald nachdem die Blumenkönigin gegangen war. Er erklärte, mich losbinden zu wollen, wenn ich mich zu allerhand schmutzigen Sachen hergeben würde,

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