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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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zur Ruhe gelegt hatte. In einem dichten, dunklen Forst verirrt, bemühte er sich krampfhaft auf der Suche nach einem Pfad, der ihn aus dem dornigen Gestrüpp herausführen sollte. Plötzlich fiel ihm ein kaltes, geschupptes Etwas in den Nacken. Er griff nach dem sich ringelnden Ding und warf es mit einer Verwünschung weit von sich. Es war ein großer Tausendfüßler. Das Tier mußte ihn gebissen haben, denn unversehens erfaßte ihn ein Schwindel, so daß ihm schwarz vor den Augen wurde. Als er wieder zu sich kam, lag er auf dem Bett im Roten Zimmer und rang nach Luft. Eine unförmige schwarze Gestalt war über ihn gebeugt und drückte ihn unbarmherzig nieder; ein ekelhaft fauliger Geruch ging von ihr aus und hüllte ihn ein. Eine schwarze Klaue tastete sich bedrohlich immer näher an seine Gurgel heran; sie schien einem blinden Raubtier zu gehören, das wußte, daß ihm sein Opfer nicht entgehen konnte. Dem Ersticken nahe, wachte der Richter mit einem Aufbäumen seiner letzten Kräfte auf und fand sich in Schweiß gebadet.
    Erleichtert seufzte er auf, als er sich bewußt wurde, daß ihn nur ein böser Traum genarrt hatte. Er schickte sich an, eine sitzende Stellung einzunehmen und sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen, als er plötzlich in seinen Bewegungen innehielt. Tatsächlich hing ein pestilenzialischer Gestank im Zimmer; auch die Kerzen brannten nicht mehr. Gleichzeitig sah er mit einem Seitenblick einen dunklen Schatten am vergitterten Fenster vorbeihuschen, der nur undeutlich durch die Lichter im Park erhellt war.
    Einen kurzen Augenblick vermeinte er wieder zu träumen, doch dann war ihm bewußt, daß er hellwach war. Seine Hand krampfte sich um den Knauf seines Schwertes. Er lag bewegungslos da und starrte suchend nach dem Fenster und den dunklen Schatten, die es umgaben. Angespannt lauschte er. Ein heimliches Kratzen drang aus der Bettstelle an sein Ohr, gefolgt von einem flügelschlagenden Geräusch an der Decke über dem Betthimmel. Zur selben Zeit knarrte die Diele draußen auf der Veranda.
    Ohne jedes Geräusch erhob sich der Richter vom Boden und verharrte in geduckter Stellung, das Schwert kampfbereit haltend. Als alles ruhig blieb, sprang er auf und stellte sich mit dem Rücken gegen die Wand dem Bett gegenüber. Mit einem schnellen Blick überzeugte er sich, daß das Zimmer leer war. Unverändert stand der Tisch vor der Tür, wohin ihn Richter Di gerückt hatte. Mit drei langen Schritten war er am Fenster. Die Veranda lag verlassen da. Die Glyziniendolden bewegten sich in einer inzwischen aufgekommenen Brise schwankend hin und her.
    Er zog die Luft ein und bemerkte, daß der widerliche Geruch immer noch vorhanden war. Doch nun meinte er, daß dieser vom Rauch der beiden Kerzen herrühren könne, die vermutlich der Luftzug gelöscht hatte.
    Mit Hilfe seines Feuerzeugs entzündete er die Kerzen von neuem und nahm eine davon mit ans Bett. Beim Ableuchten konnte er nichts Ungewöhnliches entdecken. Als er an einen Fuß der Bettstelle stieß, war es ihm, als ob ein schwaches Kratzen abermals zu vernehmen sei. Sollte es von Mäusen herrühren? Er hob die Kerze und untersuchte die starken Deckenbalken. Das flügelschlagende Geräusch mochte von einer Fledermaus verursacht sein, die oben im Gebälk gehangen hatte und nun durch das vergitterte Fenster ins Freie geflogen war. Nur war der dunkle Schatten, den er dort vorbeihuschen gesehen hatte, viel größer gewesen als der einer Fledermaus. Er schüttelte den Kopf, rückte den Tisch von der Tür ab und ging durchs Vorzimmer hinüber ins Wohnzimmer.
    Die auf die Veranda führende Tür stand weit offen, so wie er sie verlassen hatte, um die kühle Nachtluft hereinzulassen. Er trat auf die Veranda hinaus und probierte die einzelnen Fußbodenplanken durch vorsichtige Schritte. Eine dieser Planken vor dem Gitterfenster knarrte und machte dasselbe Geräusch, das er vorhin gehört hatte.
    Am Geländer blieb er stehen und ließ seinen Blick in den vereinsamten Park schweifen. Die Girlanden mit den daran hängenden bunten Lampions schwankten in der kühlen Brise. Es mochte lange nach Mitternacht sein; kein Laut kam vom Parkrestaurant her, nur einige Fenster im zweiten Stockwerk waren noch erleuchtet. Er ordnete seine Gedanken und kam zu dem Schluß, daß für die ausgelöschten Kerzen, den üblen Geruch, den dunklen Schatten, das Kratzen und Klatschen eine durchaus harmlose Erklärung gefunden werden könnte. Doch das knarrende Fußbodenbrett bewies, daß

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