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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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den starken Holzplanken lag. Er ging zum Tisch und ergriff den Leuchter. Es ergab sich, daß er, auf dem Bett stehend, gerade den oberen Teil des Betthimmels erreichen konnte. Er beklopfte ihn mit den Knöcheln, doch nirgends vernahm er einen hohlen Ton. Von neuem klopfte er die Bettwand ab und blickte finster auf die erotischen Bilder, die in die Täfelung eingelassen waren. Darauf schob er seine Kappe zurück und zog eine Haarnadel aus seinem Haarschopf. Mit ihr stocherte er in den Ritzen der Täfelung, ohne jedoch einen tieferen Spalt zu finden, der ihm eine geheime Öffnung hätte verraten können.
    Tief seufzend stieg er vom Bett herunter auf den Boden. Es war vollkommen unbegreiflich. Indem er sich den Bart strich, wandte er sich der Betrachtung der Bettstelle von neuem zu. Ein unbehagliches Gefühl überkam ihn. Beide, der Akademiker wie die Blumenkönigin, waren durch dünne, lange Kratzer gezeichnet gewesen. Sollte es wohl möglich sein, daß man es hier mit einem geheimnisvollen Tier zu tun hatte, da das Haus immerhin schon alt wahr? Ihm kamen seltsame Geschichten in den Sinn, wo riesige …
    Mit schnellem Entschluß stellte er den Leuchter auf den Tisch zurück und begann die Bettvorhänge sorgfältig auszuschütteln. Dann kniete er auf dem Boden und sah unter das Bett. Nichts war da, nicht einmal ein Stäubchen oder eine Spinnwebe. Zuletzt hob er die Ecke des dicken roten Teppichs hoch. Der Fliesenboden darunter war vollständig staubfrei. Offenbar hatte man das Zimmer nach des Akademikers Tod gründlich sauber gemacht.
    »Vielleicht ist irgendein grausiges Tier von draußen hereingekommen; möglich, daß es durch das vergitterte Fenster geschlüpft ist«, murmelte er vor sich hin. Dann ging er ins Wohnzimmer, ergriff sein langes Schwert, das Ma Jung auf die Couch gelegt hatte, und trat hinaus auf die Veranda. Er stach mit dem Schwert in die üppig überhängenden Glyzinientrauben hinein und schüttelte dann heftig das dichte Blätterwerk der Sträucher. Ganze Wolken blauer Blüten flatterten herab, aber sonst zeigte sich nichts.
    Richter Di kehrte ins Rote Zimmer zurück. Er schloß die Tür und schob den mittleren Tisch davor. Dann löste er seinen Leibgürtel und legte sein Übergewand ab. Er faltete es zusammen und legte es vor dem Toilettentisch auf den Boden. Mit raschem Blick vergewisserte er sich, daß die beiden Kerzen noch den Rest der Nacht durchbrennen würden. Endlich legte er auch seine Kappe auf den Tisch. Nun streckte er sich auf dem Boden lang aus und benutzte das Häufchen seines zusammengefalteten Gewandes als Kopfunterlage. Seine rechte Hand spannte sich um den Griff seines Schwertes an seiner Seite. Er hatte einen leichten Schlaf, und so wußte er, daß er beim leisesten Geräusch erwachen würde.

Sechstes Kapitel
    Nachdem Ma Jung dem Richter seinen Gutenachtgruß entboten hatte, begab er sich in die Halle der Herberge, wo ein halbes Dutzend Bediensteter zusammenstand und die Tragödie im Flüsterton besprach. Einen jüngeren, intelligent aussehenden Mann forderte er auf, ihn zum Kücheneingang zu führen.
    Der Junge ging ihm voraus auf die Straße bis zu einer Bambustür in der Umzäunung linker Hand des Pförtnerhäuschens. Als sie die Tür durchschritten hatten, war zu ihrer Rechten die blinde Außenmauer des Herbergsgeländes und zur Linken ein vernachlässigter Garten. Etwas weiter entfernt in der Mauer befand sich eine Tür, aus der das Geräusch klappernden Geschirrs und rauschenden Wassers drang.
    »Das ist der Kücheneingang«, sagte der Kellner. »Wir hatten ein sehr spätes Nachtmahl, drüben auf dem rechten Flügel.«
    »Geh weiter!« befahl Ma Jung.
    Nahe bei der Ecke des Geländers wurden sie im Fortschreiten durch dichtes, niedriges Gestrüpp behindert, das überwachsen war von Glyziniendolden. Ma Jung teilte die Äste auseinander und erblickte eine Flucht schmaler Holzstufen, die nach links zur Veranda des Roten Pavillons führten. Am Fußende der Stufen war ein von Unkraut überwucherter Pfad.
    »Der geht zum Hintereingang des von der Blumenkönigin bewohnten Pavillons«, bemerkte der Kellner, indem er über Ma Jungs Schulter hinwegsah. »Dort ist’s, wo sie ihre bevorzugten Anbeter empfängt. Ein behagliches, molliges Nest ist’s, wunderbar eingerichtet.«
    Ma Jung brummte. Mit einiger Schwierigkeit kämpfte er sich durch den dichten Busch, bis er eine lichtere Stelle erreichte, die vor der Veranda lag. Er konnte Richter Dis Schritte im Roten Zimmer hören. Er

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