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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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geschnitztem Schwarzholz niederzulassen. Während der Richter den duftenden Tee schlürfte, betrachtete er interessiert die Bücherregale, die die ganze Gegenwand einnahmen. Sie waren mit Büchern vollgepfropft, von denen einige von papiernen Lesezeichen strotzten. Feng war dem Blick des Richters gefolgt und meinte bescheiden lächelnd:
    »Ich kann nicht von mir behaupten, daß ich ein großer Gelehrter bin, Euer Gnaden! Die Bücher da kaufte ich in alten Tagen, hauptsächlich weil ich dachte, daß zu einer Bibliothek auch Bücher gehörten! Sie dient mir vor allem als Empfangszimmer. Doch mein Freund Tau Pan-te kommt oft hierher, um in den Büchern zu blättern und sich belehren zu lassen, denn er beschäftigt sich gern mit Geschichte und Philosophie. Auch meine Tochter Jadering benutzt sie viel. Sie hat schon einige Kunstfertigkeit im Versemachen erlangt und liest Bücher im übrigen sehr gern.«
    »Dann wird ihre Heirat mit dem Poeten Kia Yu-po in Wahrheit eine ›vom Himmel vorherbestimmte Vereinigung‹ sein, wie man so schön sagt«, bemerkte Richter Di mit feinem Lächeln. »Ich habe gehört, daß der junge Mann ziemliches Pech am Spieltisch hatte, doch kommt er ja aus reichem Hause, wie es heißt.«
    »Nein, das stimmt nicht. Er verlor praktisch alles, was er hatte. Das ist die nackte Tatsache! Doch in diesem besonderen Fall folgte Glück dem Unglück. Als Kia mich aufsuchte, um mit mir wegen einer Anleihe zu verhandeln, womit er seine Reise zur Hauptstadt finanzieren und fortsetzen könnte, erblickte ihn zufällig meine Tochter und verliebte sich Knall auf Fall in ihn. Das war mir nur recht, denn sie wird bald neunzehn und hat bisher alle vorgeschlagenen Freier abgewiesen. Ich lud also Kia mehrmals zu mir ein und bewerkstelligte, daß auch er meine Tochter zu Gesicht bekam. Darauf vertraute mir Tau Pan-te an, daß Kia von Jadering stark beeindruckt sei, und anschließend trat Tau als Vermittler auf, um das Verlöbnis zustande zu bringen. Was die geldliche Seite angeht, so bin ich als vermögender Mann bekannt; das Glück meiner einzigen Tochter geht bei mir allen anderen Dingen voran. Als Schwiegersohn wird Kia demnach übergenug zum Leben haben!« Er machte eine Pause. Sich räuspernd, stellte er nach einigem Zögern die Frage: »Haben sich Euer Gnaden schon eine Meinung über den schrecklichen Tod der Blumenkönigin gebildet?«
    »Niemals versuche ich mir eine Meinung zu bilden, ehe ich nicht alle Begleitumstände kenne«, war des Richters knappe Antwort. »Vorerst wollen wir das Ergebnis der Leichenschau abwarten. Ich möchte auch mehr über den Mann wissen, der sich ihretwegen das Leben nahm, über diesen Akademiker Li Liän. Sagt mir, was für eine Art Mensch er war!«
    Nachdenklich zupfte Feng an seinem langen Backenbart.
    »Ich begegnete ihm nur einmal«, antwortete er langsam, »das war am Neunzehnten, als er mich aufsuchte, um den Schaden zu regeln, der durch den Zusammenstoß unserer beiden Schiffe auf dem Fluß entstanden war. Er war ein hübscher, aber hochmütiger Mann, der von seiner eigenen Bedeutung sehr überzeugt war. Ich behandelte ihn nachsichtig, weil ich seinen Vater gekannt hatte, den Dr. Li Wee-tsching. Der war in seinen jungen Jahren ein tadelloser, aufrechter Mann gewesen! Von gutem Aussehen, stark wie ein Bulle, geistsprühend, kurz ein Mann von Welt. In längst vergangenen Tagen, wenn er sich auf seinen Reisen von und nach der Hauptstadt auf unsrer Insel aufhielt, liefen ihm sämtliche Kurtisanen nach. Aber er war weise! Da er ein Kandidat für das Zensoramt war, begriff er, daß seine Moralität einwandfrei sein müsse. So ließ er einige gebrochene Herzen hinter sich, das kann man wohl sagen! Nun, Euer Gnaden werden ja selbst wissen, daß er vor fünfundzwanzig Jahren die Tochter eines hohen Beamten heiratete und zum Kaiserlichen Zensor ernannt wurde. Vor sechs Jahren wurde er pensioniert und zog sich auf den Familienbesitz zurück, der in der bergigen Gegend nördlich von hier liegt. Unglücklicherweise erlitt die Familie finanzielle Rückschläge durch schlechte Ernten und falsche Entschlüsse, wie ich gehört habe. Doch ihr Landbesitz wirft immer noch stattliche Erträgnisse ab, wie ich annehme.«
    »Ich bin Dr. Li nie begegnet«, sagte der Richter, »aber ich weiß, daß er ein tüchtiger Beamter war. Schade, daß ihn Krankheit zur Aufgabe seines Amtes zwang. Woran leidet er eigentlich?«
    »Das weiß ich nicht, Herr. Es muß aber eine ernste Krankheit sein, denn ich hörte,

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