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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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daß er schon seit einem Jahr ans Haus gefesselt sei. Das ist der Grund, wie ich Euer Gnaden gestern abend sagte, warum ein Onkel des Akademikers hier erschien, um dessen Leiche abzuholen.«
    »Manche Leute raunen«, fuhr Richter Di fort, »daß der Akademiker nicht die Art eines Menschen hatte, der wegen einer Frau Selbstmord begehen würde.«
    »Nicht wegen einer Frau«, sagte Feng verschmitzt lächelnd, »sondern wegen sich selbst. Wie ich Euer Gnaden schon sagte, war er äußerst eingenommen von sich. Seine Abweisung durch die Blumenkönigin würde bis in alle Winkel der Provinz beredet werden, so daß es verletzter Stolz war, der ihn zum Selbstmord trieb. So wenigstens denke ich.«
    »Ihr mögt recht haben«, stimmte der Richter zu. »Nebenbei, nahm der Onkel auch alle Papiere des Akademikers mit sich fort?«
    Feng schlug sich mit der Hand vor die Stirn.
    »Das erinnert mich!« rief er aus. »Ich vergaß, ihm die auf dem Tisch des Verstorbenen gefundenen Papiere auszuhändigen.« Er stand auf und holte aus der Schublade seines Schreibtischs ein in braunes Papier gewickeltes Päckchen. Richter Di öffnete es und sah den Inhalt durch. Nach einer Weile blickte er auf und bemerkte:
    »Der Akademiker war ein methodischer Mensch. Er schrieb sorgfältig alle Ausgaben auf, die er während seines hiesigen Aufenthaltes machte, ja sogar die Liebesgelder für die Frauen notierte er, mit denen er schlief. Hier kommen die Namen von Jadeblume, Roter Nelke und Pfingstrose vor.«
    »Sämtlich Kurtisanen zweiten Ranges«, erklärte Feng.
    »Er beglich seine Rechnung mit diesen drei Frauen am Fünfundzwanzigsten, wie ich sehe. Aber ich finde nirgends eine Notiz über irgendeine Zahlung an Herbstmond.«
    »Sie beehrte die meisten Feste des Akademikers mit ihrer Gegenwart«, sagte Feng, »doch war ihr Lohn stets in der Rechnung des Gasthauses eingeschlossen. Was ihre, ah … intimeren Beziehungen angeht, so ist es im Falle einer Kurtisane ersten Ranges, wie Herbstmond eine war, üblich, daß der Kunde ihr beim Abschied ein Geschenk überreicht. Es hilft über die … hm … geschäftliche Seite der Beziehungen hinweg.« In Fengs Gesicht erschien ein schmerzlicher Zug; offenbar hielt er es für unter seiner Würde, hier die ungeschminkten Tatsachen seines Geschäfts darzulegen. Rasch zog er ein Blatt unter dem vor dem Richter liegenden Stoß Papiere hervor und fuhr fort: »Dies sind die letzten Zeilen des Akademikers; sie beweisen, daß seine letzten Gedanken unserer Blumenkönigin galten. Aus diesem Grunde lud ich sie vor, wobei sie verriet, daß er ihr angeboten hatte, sie loszukaufen, was sie jedoch abgelehnt habe.«
    Richter Di unterzog das Blatt einem genauen Studium. Anscheinend hatte der Akademiker versucht, mit einem Pinselstrich einen vollkommenen Kreis zu ziehen. Er wiederholte den Versuch und schrieb dann dreimal die Worte ›Herbstmond‹ darunter. Indem er das Papier in seinen Ärmel schob, erhob er sich und sagte:
    »Wir wollen uns jetzt ins Gerichtszimmer begeben.«
    Die Amtsräume des Vorstehers nahmen den ganzen Ostflügel des Gebäudes ein. Feng geleitete den Richter durch die Kanzlei, wo vier Schreiber emsig ihre Pinsel schwangen und auf eine große Halle mit einer hohen Decke hindeuteten. Die offene, von rotlackierten Säulen begrenzte Vorderseite ging auf einen schön gepflegten Blumengarten hinaus. Ein halbes Dutzend Männer stand abwartend da. Der Richter erkannte Tau Pan-te, den Kuriositätenhändler Wen Yüan und den Poeten Kia Yu-po. Die anderen drei Leute waren ihm unbekannt.
    Nachdem er ihre Verbeugungen erwidert hatte, nahm Richter Di in einem hohen Armstuhl hinter dem Richtertisch Platz. Mit einem mißbilligenden Blick musterte er die luxuriöse Ausstattung dieser Gerichtshalle. Über den Richtertisch war eine kostbare rote, golddurchwirkte Brokatdecke gebreitet, und das bereitliegende Schreibzeug bestand durchweg aus wertvollen antiken Stücken. Der schön geschnitzte Tuschstein, der Papierbeschwerer aus grünem Jade, das Siegelkästchen aus Sandelholz und die Schreibpinsel mit ihren elfenbeinernen Schäften schienen eher in das Kabinett eines Sammlers zu gehören als in einen Gerichtssaal. Der Fußboden bestand hier aus farbigen Fliesen, und die Hinterwand war verdeckt durch einen prächtigen hohen Wandschirm, auf dem türmende Wolken und brandende Wogen in Gold und Blau gemalt waren. Richter Di war der Meinung, daß öffentliche Gebäude so einfach wie möglich ausgestattet sein sollten, schon um dem

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