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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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sprang aus dem Bett und faßte im verzweifelten Ringen nach Luft an ihren eignen Hals. Darauf fiel sie ohnmächtig zu Boden und krallte sich im Todeskampf in den Teppich, was durch den unter ihren Fingernägeln festgestellten roten Flaum bewiesen wird. Auf Grund dieser Tatsachen, Euer Gnaden, gelangte ich zu dem Ergebnis, daß der Tod durch einen plötzlichen Herzanfall herbeigeführt wurde.«
    Auf ein Zeichen des Richters las der Protokollführer die Aussage des Leichenbeschauers vor, die er soeben niedergeschrieben hatte. Als der Leichenbeschauer seinen Daumenabdruck unter das Dokument gesetzt hatte, entließ ihn Richter Di und fragte darauf Feng:
    »Was wißt Ihr über das Vorleben der Kurtisane?«
    Feng Dai zog ein Bündel Papiere aus seinem Ärmel und antwortete:
    »Heute morgen frühzeitig ließ ich ihre sämtlichen Papiere von unserem Hauptbüro hierherschaffen, Herr.« Er zog die vor ihm liegenden Dokumente zu Rate und fuhr fort: »Sie war die Tochter eines kleinen Beamten in der Hauptstadt, der sie an eine Weinschenke verkaufte, als er in Schulden geriet. Da sie wohlerzogen und ein anstelliges Mädchen war, wurde ihr klar, daß sie als Prostituierte in einem Weinhaus nicht genug Gelegenheit hätte, ihre Talente nutzbringend anzuwenden; sie fing an, widerspenstig zu werden. Hierauf verkaufte sie ihr Eigentümer für zwei Goldbarren an einen Kuppler. Der brachte sie hierher auf die Insel, und als wir vom Einkaufskomitee sie tanzen gesehen und singen gehört hatten, kauften wir sie für drei Goldbarren. Das war ungefähr vor zwei Jahren. Von Anfang an war sie eine Attraktion für hervorragende Gelehrte und Künstler, die bei uns durchreisten, und schnell avancierte sie zu einer der führenden Kurtisanen. Vor vier Monaten trat das Komitee zur Wahl der diesjährigen Blumenkönigin zusammen, und da wurde sie einstimmig gewählt. Ich bestätige, daß niemals Klagen gegen sie vorgebracht wurden, auch geriet sie nie in Ungelegenheiten irgendwelcher Art.«
    »Sehr gut«, sagte Richter Di. »Ihr mögt den nächsten Anverwandten der Toten benachrichtigen, daß er die Leiche abholen und bestatten kann. Jetzt möchte ich das Zeugnis des Kuriositätenhändlers Wen Yüan hören.«

    Richter Di verhört im Amtshause des Feng Dai den Kia Yu-po
    Wen sah den Richter bestürzt an. Als er vor dem Richtertisch niederkniete, befahl ihm Richter Di:
    »Beschreibt Euer Verbleiben und Eure Bewegungen, nachdem Ihr das Festmahl in der ›Kranichlaube‹ verlassen hattet!«
    »Diese Person brach vom Essen zeitig auf, Euer Gnaden, weil sie eine Verabredung mit einem wichtigen Kunden hatte. Es handelte sich um den Kauf eines wertvollen antiken Gemäldes, genau gesagt. Vom Restaurant ging ich direkt zu meinem Kuriositätenladen.«
    »Wer war jener Kunde, und wie lange blieb er bei Euch?«
    »Es war der Kommissionär Hwang, Euer Gnaden, der gegenwärtig in der zweiten Herberge in dieser selben Straße wohnt. Doch wartete ich vergebens auf ihn. Als ich auf dem Weg hierher ihn besuchte, behauptete er, unsre Verabredung sei nicht für gestern, sondern für heute abend gewesen. Ich muß ihn mißverstanden haben, als ich vor zwei Tagen mit ihm sprach.«
    »Durchaus«, sagte Richter Di. Er gab dem Schreiber ein Zeichen, worauf dieser Wens Aussage laut vorlas. Der Händler Wen bestätigte die Richtigkeit des Protokolls und setzte seinen Daumenabdruck darunter. Hierauf entließ ihn der Richter und rief Kia Yu-po auf, vor den Richtertisch hinzutreten. Er sprach zu ihm:
    »Kandidat Kia Yu-po soll jetzt aussagen, was er tat, nachdem er das Festmahl verlassen hatte.«
    »Diese Person«, begann Kia, »hat die Ehre, zu berichten, daß sie das Essen früher verließ, weil sie sich nicht wohl fühlte. Sie wollte ins Badezimmer des Restaurants gehen, doch kam sie versehentlich in die Toilette der Kurtisanen. Sie ersuchte einen Kellner, ihn zum Badezimmer zu führen; später verließ sie das Restaurant und begab sich zu Fuß in den Park. Dort ging sie bis ungefähr zur Mitternachtsstunde spazieren. Dann fühlte sie sich bedeutend wohler und kehrte in ihre Herberge zurück.«
    »So soll es niedergeschrieben werden«, ordnete Richter Di an. Als der Poet das Protokoll des Schreibers mit seinem Fingerabdruck versehen hatte, schlug der Richter mit seinem Hammer auf den Tisch und verkündete:
    »Die Verhandlung über den Todesfall der Kurtisane Herbstmond wird bis auf weiteres vertagt.«
    Darauf schloß er die Sitzung. Vor dem Aufstehen beugte er sich zu Ma Jung

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