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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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die Examenliste eintragen, weil zwei meiner Freunde dasselbe taten, Herr; ihre Begeisterung steckte mich an! Ich weiß ganz genau, daß ich für einen Beamten nicht gut genug bin. Mein einziger Ehrgeiz zielt dahin, irgendwo auf dem Lande friedlich zu leben, ein wenig zu lesen und zu schreiben, und …« Er stockte, sah auf seine unruhigen Hände nieder und fuhr dann unglücklich fort: »Ich fühle mich in peinlichster Verlegenheit gegenüber Herrn Feng, Herr, denn er setzt große Erwartungen in mich! Er ist so gütig zu mir, sogar seine Tochter soll ich heiraten … Ich empfinde alle diese Freundlichkeit als … eine Last, Herr!«
    Richter Di überlegte, ob dieser junge Mensch harmlos aufrichtig oder ein ausgemachter Schauspieler sei. Gelassen fragte er:
    »Warum habt Ihr heute morgen vor Gericht gelogen?«
    Der junge Mann wurde rot. Er stotterte:
    »Was … was meinen Euer Gnaden? Ich …«
    »Ich meine, daß Ihr nicht aus Versehen in die Damentoilette gingt; Ihr gingt vorsätzlich dahin, um nach Herbstmond zu fragen. Danach wurdet Ihr gesehen, wie Ihr den Pfad einschlugt, der zu ihrem privaten Pavillon führt. Sprecht, wart Ihr verliebt in sie?«
    »Ich, verliebt in dieses hochnäsige, grausame Weib? Der Himmel behüte mich davor! Ich kann nicht verstehen, warum Silberfee sie so anhimmelt; sie und andere Mädchen wurden von dem Weib oft grausam behandelt und unter dem geringsten Vorwand geprügelt! Die widerliche Kreatur schien sogar Lust an der Quälerei zu empfinden! Ich wollte nur verhüten, daß sie Silberfee bestrafte, weil diese Wein auf das Festkleid dieses erbärmlichen alten Kramhändlers verschüttet hatte! Das ist’s, weshalb ich ihnen folgte, Herr. Als ich am Pavillon der Blumenkönigin vorbeikam, war dort alles dunkel. So ging ich weiter und etwas im Park spazieren, um meine Wut abzukühlen.«
    »Ich verstehe. Damit genug, da bringt mir das Mädchen meinen Mittagsreis. Ich muß mich umziehen und es mir bequemer machen.«
    Überstürzt verabschiedete sich der Poet, indem er seine Entschuldigungen stammelte und noch bekümmerter aussah als vorher.
    Richter Di legte ein leichtes graues Gewand an und setzte sich dann zum Essen hin. Doch kaum hatte er den ersten Bissen genommen, waren seine Gedanken schon anderswo. Nachdem er seinen Tee getrunken hatte, stand er auf und begann auf der Veranda auf und ab zu wandern. Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. Er blieb stehen und murmelte:
    »Das muß des Rätsels Lösung sein! Und das setzt den Tod des Akademikers in ein ganz anderes Licht!«
    Ma Jung trat auf die Veranda hinaus. Lebhaft forderte ihn Richter Di zum Sitzen auf und sagte:
    »Ich habe herausgefunden, was mit Taus Vater vor dreißig Jahren geschah!«
    Schwerfällig setzte sich Ma Jung hin. Er war müde, aber glücklich. Im Quartier der Witwe Wang hatte er Silberfee gut erholt vorgefunden, und während die Witwe das Mittagsmahl zubereitete, hatte er sich oben in der Dachkammer mit dem Mädchen eingehender beschäftigen können, als nur von ihrem gemeinsamen Heimatdorf zu reden. In der Tat war er so emsig in Anspruch genommen worden, daß er, als er endlich herunterkam, kaum Zeit hatte, eilig einen Napf Nudeln zu vertilgen.
    »Taus Vater wurde tatsächlich ermordet«, eröffnete ihm der Richter. »Hier im Wohnzimmer geschah es.«
    Mühsam verdaute Ma Jung diese Ankündigung. Dann aber machte er den Einwand:
    »Aber Tau Pan-te hatte doch ausgesagt, daß er den Toten im Roten Zimmer aufgefunden habe, Euer Gnaden!«
    »Tau Pan-te hat sich geirrt. Ich fand das heraus, weil er erwähnte, daß die Bettstelle auf der rechten Seite war; an der Nordwand also. Ich habe nachgeforscht und herausbekommen, daß die Bettstelle des Roten Zimmers immer an demselben Platz gewesen ist, da wo sie sich jetzt befindet, an der Südseite nämlich gegen die Wand zur Linken. Obwohl die innere Einrichtung der Zimmer niemals geändert wurde, war die äußere Umgebung jedoch vor dreißig Jahren vollkommen anders als heute. Die Glyzinie, die jetzt die Veranda teilweise verdeckt, war noch nicht vorhanden, auch nicht das Parkrestaurant und die hohen Bäume gegenüber. Von dieser Veranda hier hatte man eine freie Aussicht und konnte die schönen Sonnenuntergänge genießen.«
    »Vermutlich konnte man das«, sagte Ma Jung. Nein, diese Silberfee war wirklich ein liebes Mädchen. Sie wußte auch, wonach sich ein Mann sehnte.
    »Begreifst du es denn nicht? Der Knabe war noch nie hier gewesen, er wußte nur, daß man die Zimmerflucht

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