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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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mich für alte Häuser, versteht Ihr? Könnt Ihr Euch erinnern, wann die Bettstelle im Roten Pavillon an die gegenüberliegende Wand gerückt wurde?«
    Der Graukopf zupfte an seinem dünnen Schnurrbart. Unter Kopfschütteln antwortete er:
    »Die Bettstelle wurde niemals von ihrem Platz weggerückt, Herr; bestimmt nicht! Wenigstens nicht zu meiner Zeit, so ist’s. Sie stand an der Südwand, zur Linken, wenn man eintritt. Das ist ihr gewohnter Platz, und da hat sie stets gestanden. Ich spreche natürlich nicht von den letzten zehn Jahren, wohlgemerkt. Möglich, daß man kürzlich was geändert hat, heutzutage hat man ja immer irgendwas zu ändern.«
    »Nein, sie ist immer noch am gleichen Platz«, versicherte ihm der Richter. »Ich wohne augenblicklich in jenen Räumen.«
    »Schöne Zimmer«, murmelte der alte Mann, »die besten, die wir haben. Und die Glyzinie müßte jetzt in voller Blüte stehn. Ich pflanzte sie vor fünfundzwanzig Jahren, so ungefähr. Ich gärtnerte gern ein bissel, damals. Den Glyzinienableger holte ich mir vom Kiosk im Park, ja, das tat ich. Man riß den Kiosk ab, jammerschade, so ein schönes altes Schnitzwerk. An seiner Stelle baute man eins dieser modernen Häuser hin, zwei Stock hoch, je höher, desto besser! Und verpflanzte Bäume hin. Die ganze Aussicht von der Veranda wurde verdorben. Denkt nur, was für schöne Sonnenuntergänge man von dort genießen konnte, Herr! Sogar die Pagode des Taoistentempels konnte man gegen den Abendhimmel sehen. Und diese Riesenbäume machen obendrein den Roten Pavillon dumpf und muffig, so behaupte ich wenigstens.«
    »Eine Menge Gebüsch gibt’s da, direkt vor der Veranda«, bemerkte Richter Di. »Habt Ihr das auch gepflanzt?«
    »Kommt gar nicht in Frage, Herr! Gebüsch sollte man nie direkt bei einer Veranda anpflanzen, Herr, wenn man sie sauberhalten will. Es zieht Schlangen an und sonstiges Gewürm. Die Parkhüter pflanzten die Büsche, diese Narren! Ich selbst fing schon dort Skorpione. Und die Hüter sollten den Platz eigentlich sauberhalten, das sage ich! Mir ist ein offener, sonniger Platz lieber, Herr, besonders seitdem ich Gliederreißen habe. Das kam wie ein Blitz aus heiterm Himmel, ich sagte zu meinem Sohn, ich sagte ihm also …«
    Hier unterbrach der Richter seinen Redefluß. »Ich freue mich, daß Ihr so rüstig seid, bemerkenswert munter für Euer Alter. Und sorgt der Sohn auch gut für Euch? Das nehme ich an. Also, dann schönen Dank!«
    Er ging zum Pavillon zurück.
    Als er auf die Veranda heraustrat, sprang Ma Jung eilfertig auf und teilte ihm mit, was er von der Krabbe über Wens Reisepläne erfahren hatte.
    »Natürlich darf Wen nicht reisen«, sagte der Richter entschieden. »Er hat sich der falschen Aussage schuldig gemacht. Finde heraus, wo er wohnt; heute nachmittag wollen wir ihn besuchen. Zuerst geh aber zu Kia in seine Herberge und bestell dem jungen Mann, daß ich ihn zu sehen wünsche, und zwar auf der Stelle. Nachher kannst du gehen und deinen Mittagsreis zu dir nehmen. Doch richte es so ein, daß du ungefähr in einer Stunde zurück bist. Es gibt viel zu tun.«
    Richter Di setzte sich nahe am Geländer nieder. Seinen Backenbart langsam streichend, suchte er nach einer plausiblen Übereinstimmung zwischen des alten Türhüters Erzählung und Tau Pan-tes Geschichte. Die Ankunft des jungen Poeten scheuchte ihn aus seinem Grübeln auf.
    »Setzt Euch, setzt Euch!« sagte Richter Di gereizt. Als Kia sich in einem Bambusstuhl niedergelassen hatte, durchforschte der Richter sorgsam dessen bekümmertes Gesicht. Nach einer Weile begann er plötzlich:
    »Ihr seht nicht aus wie ein Gewohnheitsspieler, Herr Kia. Aus welchem Grund versuchtet Ihr Euer Glück am Spieltisch? Und noch dazu mit solch verheerendem Pech, wie ich mir habe sagen lassen?«
    Der junge Poet zeigte eine verlegene Miene. Nach einigem Zögern antwortete er:
    »Ich bin wahrhaftig eine recht wertlose Person, Euer Gnaden! Außer einer gewissen Leichtigkeit im Verseschmieden besitze ich keine löbliche Eigenschaft. Ich unterliege vielfach meinen Stimmungen, stets lasse ich mich durch die augenblicklichen Umstände treiben. Sobald ich diesen verwünschten Spielsaal betreten hatte, packte mich der dort herrschende Geist, ich … ich konnte mich einfach nicht gegen ihn wehren! Ich kann es nicht ändern, Herr, so bin ich nun einmal …«
    »Und trotzdem plant Ihr, Euch den Staatsexamina zu unterziehen, um die Beamtenlaufbahn einzuschlagen?«
    »Ich ließ meinen Namen nur in

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