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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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Roter Pavillon nannte, weil das Schlafzimmer ganz in Rot gehalten war. Als er das Wohnzimmer betrat, war es in den roten Abendsonnenschein gebadet! Kein Wunder, daß er das Wohnzimmer mit dem Roten Zimmer verwechselte – das er, der kleine Junge, zu sehen erwartete!«
    Über die Schulter blickte Ma Jung ins Wohnzimmer und erkannte, daß das Sandelholz der Möbel durchweg seine Naturfarbe behalten hatte. Schwerfällig nickte er.
    »Taus Vater wurde im Wohnzimmer ermordet«, fuhr Richter Di fort. »Dort war es, wo sein Sohn den Toten erblickte; auch sah er die undeutlichen Umrisse des Mörders, der im weißen Unterzeug dastand – nicht in einem roten Gewand, wie der Junge glaubte. Sobald der Junge hinausgerannt war, schaffte der Mörder die Leiche ins Rote Zimmer und schloß die Tür hinter sich ab. Den Schlüssel warf er durchs vergitterte Fenster hinein, um auf diese Weise den vermeintlichen Selbstmord vorzutäuschen. Er nahm richtig an, daß niemand dem Gerede des erschrockenen Jungen Beachtung schenken würde.« Er machte eine kurze Pause. Dann sprach er weiter: »Da der Mörder nur mit dem Unterzeug bekleidet war, ist es für mich sicher, daß er ein Stelldichein mit der Kurtisane Jadegrün im Roten Zimmer hatte. Tau Kwang, sein Nebenbuhler, überraschte die beiden Liebenden und wurde mit seinem Dolch getötet. Tau Pan-tes Verdacht ist richtig: sein Vater wurde ermordet. Das wirft ein neues Licht auf den Tod des Akademikers, Ma Jung. Hier wurde ebenfalls ein Mord als ein Selbstmord in Szene gesetzt, nämlich in genau derselben Weise wie vor dreißig Jahren. Der Akademiker wurde getötet, während er im Wohnzimmer saß, das für jeden ungehindert und unbeobachtet über die Veranda zugänglich ist. Nach dem Mord wurde der Tote ins Rote Zimmer geschafft, zusammen mit seinen Papieren und dem übrigen. Es hatte einmal geklappt, warum sollte der Mörder die gelungene Methode nicht wiederholen? Und dadurch kommen wir seiner Entlarvung einen erheblichen Schritt näher!«
    Ma Jung stimmte ihm durch langsames Kopfnicken zu.
    »Das bedeutet, daß entweder Feng Dai oder Wen Yüan unser Mann ist, Herr. Dennoch besteht ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Fällen. Als der Akademiker tot aufgefunden wurde, steckte der Schlüssel innen im Schloß! Da hinein kann man ihn nicht werfen, Herr. Nicht in zehntausend Jahren!«
    »Falls Feng tatsächlich unser Mann ist, kann ich auch diesen Punkt erklären«, sagte der Richter nachdenklich. »Fest steht auf jeden Fall, daß wir, wenn wir den Mörder von Tau Kwang und dem Akademiker identifizieren, auch wissen werden, was mit der Blumenkönigin geschah.« Er runzelte die Stirn und setzte nach einigem Sinnen hinzu: »Richtig, es wird besser sein, erst einmal mit Silberfee zu sprechen, ehe ich mir den Kunsthändler vornehme. Weißt du, wo ich sie zu fassen bekomme?«
    »In ihrem Nachtquartier hinter der ›Kranichlaube‹, Euer Gnaden. Sie sagte, sie würde heute dorthin zurückkehren.«
    »Gut. Führe mich hin!«

Elftes Kapitel
    Da es noch früh am Nachmittag war, herrschte emsiges Leben in der Straße der Nachtquartiere. Botengänger und Händler gingen durch die Vordertüren ein und aus, und allerorten hörte man die Flöten, Gitarren und Trommeln tönen, summen und dröhnen zur Begleitung der singenden und musizierenden Kurtisanen.
    Ma Jung machte vor einer Tür halt, die mit »2. Rang, Nummer 4« bezeichnet war. Eine mürrisch aussehende ältere Frau öffnete. Er erklärte ihr, daß sie die Kurtisane Silberfee in amtlichem Geschäft zu sehen wünschten. Wortlos führte sie die Frau in ein kleines Wartezimmer. Dann ging sie, um das Mädchen herzuholen.
    Silberfee kam und verbeugte sich tief vor den beiden Besuchern. In ihrem Zartgefühl ging sie nicht auf das verständnisinnige Zwinkern ein, mit dem Ma Jung hinter dem Rücken des Richters Di ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken versuchte. Der Richter bedeutete der älteren Frau, daß sie allein gelassen werden wollten. Hierauf wendete er sich freundlich an das Mädchen:
    »Ich habe erfahren, daß Ihr eine Schülerin der Blumenkönigin seid. Sie lehrte Euch singen und tanzen, wie ich vermute?« Auf das zustimmende Nicken des Mädchens fuhr er fort: »„Was also bedeutet, daß Ihr sie näher kennenlerntet, nicht wahr?«
    »Gewiß, Herr! Ich kam fast alle Tage mit ihr zusammen.«
    »Daher werdet Ihr in der Lage sein, mich über einen Punkt aufzuklären, der mir Rätsel aufgibt. Ich glaube zu wissen, daß sie erwartet hatte,

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