Richter 07
Damastgewand war einfach geschnitten, doch stand es ihrer schlanken, biegsamen Figur sehr gut. Die einzigen Schmuckstücke an ihr waren zwei Ohrgehänge aus grünem Jade; dann trug sie noch einen langen roten Schal um die Schultern. Sie schüttelte Richter Dis Hand ab und platzte heraus:
Richter Di entdeckt als Lauscherin Fräulein Feng
»Dieser verhaßte Mensch, dieser niederträchtige Tau! Wie kann er sich herausnehmen, meinen Vater zu verleumden?! Oh, ich hasse ihn!«
Dabei stampfte sie mit ihrem zierlichen Fuß auf den Boden.
»Beruhigt Euch, Fräulein Feng!« schnitt ihr Richter Di das Wort ab. »Setzt Euch und trinkt eine Schale Tee.«
»Ich will aber nicht!« gab sie schnippisch zurück. »Euch sage ich nur, ein für allemal, daß mein Vater nichts mit dem Tod dieses Tau Kwang zu schaffen hat. Absolut nichts, hört Ihr? Gleichgültig, was diese abscheuliche alte Kröte von Kramhändler sagen mag. Und richtet Tau aus, daß ich ihn niemals wiederzusehen wünsche! Und daß ich Kia Yu-po liebe, und daß ich ihn sobald wie möglich heiraten werde, und zwar ohne Tau oder irgendeinen anderen Mittelsmann! Das ist alles!«
»Ein ziemlich starkes Stück!« sagte der Richter mild. »Ich möchte wetten, daß Ihr dem Akademiker mit Eurem Redeschwall eine tüchtige Abfuhr gegeben habt!«
Sie hatte sich schon zum Gehen gewandt, doch jetzt blieb sie stocksteif stehen. Mit flammenden Augen maß sie den Richter und fragte schneidend:
»Was meint Ihr damit?«
»Nun«, sagte der Richter besänftigend, »war nicht der Zusammenstoß auf dem Fluß die Schuld der Bootsleute des Akademikers? Und wurde dadurch Eure Heimkehr nicht um eine ganze Nacht verzögert? So war es doch! Wie ich sehe, seid Ihr durch übermäßige Schüchternheit nicht gerade behindert, und so glaube ich, daß Ihr ihm ziemlich deutlich die Meinung gesagt habt.«
Sie warf ihren Kopf zurück und sagte geringschätzig: »Vollkommen falsch! Herr Li entschuldigte sich in aller Form, und ich nahm seine Entschuldigungen an.«
Rauschend schlüpfte sie die Treppenstufen hinunter und verschwand unter den blühenden Oleanderbüschen.
Zehntes Kapitel
Richter Di setzte sich wieder hin und leerte bedächtig seine Teeschale. Nach und nach gewann er interessante Einblicke in die Verhältnisse aller dieser Leute. Doch nützte es ihm nicht besonders für die Lösung irgendeines der ihm gestellten Probleme.
Seufzend erhob er sich und schlenderte zum Büro des Vorstehers zurück.
Dort erwartete ihn Feng Dai zusammen mit Ma Jung. Feng geleitete die beiden feierlich zu ihrer Sänfte.
Als sich die Träger in Trab gesetzt hatten, sagte Ma Jung:
»Natürlich hat der Wen gelogen, als er beim Verhör sagte, er sei vom Bankett direkt nach Hause gegangen – wir wußten das schon. Aber seine restliche Aussage stimmt mehr oder weniger, zu meinem Leidwesen muß ich das sagen! Kommissionär Hwang sagte mir, daß er tatsächlich eine Verabredung mit Wen für diesen Abend habe, so glaubte er. Doch wenn Wen jetzt behauptet, es sei für gestern abend gewesen, so gibt Hwang zu, daß er sich vielleicht geirrt hat. Soviel zu Wen. Was Kia Yu-po angeht, so ist seine Darstellung ein bißchen unbestimmt, sozusagen. Die alte Hexe, die Toilette und Schminkzimmer der Kurtisanen unter sich hat, hatte keineswegs den Eindruck, als ob Kia dort versehentlich hineingeraten sei. Denn seine erste Frage war, ob Herbstmond und Silberfee da wären. Als sie antwortete, daß die beiden zusammen weggegangen seien, machte er kehrt, ohne noch ein Wort zu verlieren. Der Wirt des Gasthofs, in dem Kia abgestiegen ist – die kleine Herberge gleich neben der unsrigen –, sagte mir, er habe Kia zufällig vorbeigehen sehen, als er so ungefähr eine halbe Stunde vor Mitternacht vor seiner Tür stand. Er hatte geglaubt, Kia würde hereinkommen, doch der ging weiter und bog in die nach links an der Herberge vorbeiführende Allee ein. Und diese Allee führt genau zum Pavillon der nunmehr toten Blumenkönigin. Kia kehrte gegen Mitternacht heim, gab der Wirt an.«
»Merkwürdige Geschichte!« sagte Richter Di. Dann erzählte er Ma Jung, was Tau Pan-te von seines Vaters mutmaßlicher Ermordung und seinem Verdacht gegen Feng Dai gesagt hatte. Zweifelnd schüttelte Ma Jung sein mächtiges Haupt.
»Es wird uns einige Zeit kosten, Klarheit in diesen Wirrwarr zu bringen«, meinte er.
Der Richter hatte dazu nichts zu sagen. Für den Rest des Wegs gab er sich tiefem Nachdenken hin.
Als sie vor der Herberge zur »Ewigen
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