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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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morgen vor Gericht erzähltet.«
    Über Wens hageres Gesicht breitete sich eine krankhafte Blässe aus. Er stammelte:
    »Diese Person ist sich nicht bewußt, was Euer Gnaden …«
    »Ihr sagtet aus«, unterbrach ihn Richter Di schneidend, »daß Ihr gestern abend von der ›Kranichlaube‹ direkt hierher gingt. Ihr glaubtet, von niemand beobachtet zu werden, als Ihr ein wehrloses Mädchen in der Übungshalle der Kurtisanen grausam mißhandeltet. Aber eine Dienerin hatte acht auf Euch und hinterbrachte mir die Sache.«
    Auf Wens Gesicht zeigten sich rote Flecken. Er fuhr mit der Zunge über seine dünnen, trockenen Lippen und sagte dann:
    »Ich hielt es nicht für notwendig, das zu erwähnen, Euer Gnaden. Diese widerspenstigen Mädchen brauchen ab und zu eine Strafe und …«
    »Ihr seid’s, der die Strafe erhält! Wegen Mißachtung des Gerichts, was bedeutet: fünfzig Schläge mit der schweren Peitsche! Zehn Hiebe will ich Euch in Ansehung Eures vorgeschrittenen Alters erlassen, der Rest wird genügen, Euch für den Lebensrest zum Krüppel zu machen!«
    Wen schnellte hoch und kniete vor dem Richter nieder. Unter mehrmaligem Stirnaufschlag bettelte er um Gnade.
    »Steht auf!« befahl der Richter. »Ihr sollt nicht geprügelt werden, weil Euch der Kopf auf dem Schindanger abgeschlagen wird. Ihr seid eines Mordes verdächtig!«
    »Eines Mordes?« jammerte Wen. »Niemals, Euer Gnaden! Unmöglich … Welchen Mordes?«
    »Des Mordes an Akademiker Li Liän. Jemand belauschte Euch, als Ihr mit ihm spracht, vor zehn Tagen, am Morgen seiner Ankunft an diesem Ort.«
    Mit aufgerissenen Augen starrte Wen den Richter an.
    »In der Nähe der Landestelle, unter den Bäumen, du Hund!« zischte ihn Ma Jung an.
    »Es war doch niemand …« begann er, doch dann stockte er und fuhr fort: »Das heißt …« Er brach ab und machte einen verzweifelten Versuch, seine Fassung wiederzugewinnen.
    »Heraus mit der Sprache, sprecht die Wahrheit!« donnerte ihn Richter Di an.
    »Aber … aber wenn wir hier belauscht werden«, winselte Wen. »Nun, Ihr sollt wissen, daß ich alles Menschenmögliche tat, um den Akademiker zur Vernunft zu bringen! Daß ich ihm klarzumachen versuchte, es wäre reine Verrücktheit, sich der Tochter Fengs zu bemächtigen, daß Feng fürchterliche Rache nehmen würde und daß er …«
    »Erzählt die ganze Geschichte!« befahl der Richter. »Und wie sie zum Mord führte!«
    »Dieser schurkische Feng muß mich angeschwärzt haben! Ich habe nichts mit dem Tod des Akademikers zu schaffen! Feng muß es gewesen sein, er selbst!« Er holte tief Atem. Dann fuhr er etwas ruhiger fort: »Ich will Euch genau sagen, Herr, was sich zutrug. In der Morgenfrühe kam der Diener des Akademikers hierher in meinen Laden, als ich gerade aufgestanden war. Er sagte, der von mir bereits am Abend vorher erwartete Li sei durch einen Zusammenstoß mit einem andern Boot aufgehalten worden und erwarte mich auf dem Landesteg. Ich kannte seinen Vater, den Zensor Doktor Li, und hoffte auf gute Geschäfte mit dem Sohn. Ich glaubte, daß er vielleicht …«
    »Bleibt bei den tatsächlichen Ereignissen!« verwies ihn Richter Di.
    »Aber Li wollte keinerlei Antiquitäten kaufen. Er bat mich, ihm zu einem heimlichen Treffen mit Jadering, Feng Dais Tochter, zu verhelfen! Er war ihr beim Zusammenstoß ihrer beiden Boote begegnet. Er hatte sie zu überreden versucht, die Nacht mit ihm in seiner Kabine zu verbringen, doch sie hatte sich geweigert. Nun war der Tollkopf in seinem Stolz so sehr gekränkt, daß er entschlossen war, sie seinen Wünschen gefügig zu machen. Ich stellte ihm die absolute Unmöglichkeit seines Vorhabens vor, erklärte ihm, daß sie eine tugendhafte Jungfrau sei und ihr Vater ein wohlhabender Mann, der großen Einfluß nicht nur am Ort besäße, sondern auch …«
    »Ich weiß das alles. Gesteht mir, wie Euer Haß gegen Feng Dai Euch dazu brachte, Euren Sinn zu ändern!«
    Er sah, wie sich Wens Gesicht verzerrte. Er hatte richtig geraten. Der Kunsthändler wischte sich den Schweiß von der Stirn. Niedergeschlagen fing er zu reden an:
    »Die Versuchung war zu mächtig, als daß ich ihr widerstehen konnte, Euer Gnaden! Ich machte einen fürchterlichen Fehler. Doch Feng behandelt mich stets wie … wie einen Minderwertigen, in geschäftlichen wie … in privaten Dingen. Ich glaubte in meiner Verblendung, Gelegenheit zu Fengs Demütigung zu haben. Und sollte der Plan mißlingen, so würde alle Schuld auf den Akademiker fallen. Ich sagte

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