Richter 07
entläßt. Sie gaben dem Richter einen schmerzenden Stich. Er machte den anderen ein Zeichen. Gemeinsam verließen sie den Saal.
Draußen murmelte Tau Pan-te:
»Nur ihre Stimme ist geblieben. Seltsam … diese Schatten aus der Vergangenheit. Ich werde darüber nachdenken müssen, Herr. Ich bitte, mich zu entschuldigen.«
Richter Di nickte. Dann sagte er zu Ma Jung:
»Besorg eine Sänfte für Fräulein Ling, Ma Jung. Schick sie an die Hintertür und sei Silberfee behilflich, damit Fräulein Ling ohne Aufhebens einsteigen kann. Unterdessen mache ich noch einen Besuch, dann kehre ich zum Roten Pavillon zurück. In ungefähr einer Stunde triffst du mich dort wieder an.«
Dreizehntes Kapitel
Ma Jung ging ins Geschäftsviertel und mietete eine dort auf Kundschaft wartende kleine Sänfte mit vier Trägern. Er bezahlte sie im voraus und versäumte nicht, ein reichliches Trinkgeld zuzulegen. Vergnügt trotteten die Leute hinter ihm her, als er sie bis vor die Hintertür des Schlafhauses brachte. Im Hofe warteten Silberfee und Fräulein Ling.
Das junge Mädchen war Fräulein Ling beim Einsteigen behilflich und blickte der Sänfte tieftraurig nach, bis sie um die Ecke entschwunden war. Ma Jung bemerkte ihr unglückliches Gesicht und sagte mit einem verlegenen Grinsen:
»Kopf hoch, Liebling! Macht Euch keine Sorgen mehr. Ihr könnt sie ruhig meinem Herrn überlassen. So halte ich es auch immer!«
»Natürlich Ihr!« sagte sie wegwerfend. Damit ging sie ins Haus und warf ihm die Tür vor der Nase zu.
Ma Jung kratzte sich den Kopf. Vielleicht hatte sie recht und einen guten Grund dazu. In nachdenklicher Stimmung bummelte er durchs Gedränge der Hauptstraße.
Als er über die Köpfe der Menschenmenge hinweg das imposante Pförtnerhaus der Bordellgilde erblickte, hielt er den Schritt an. Eine Zeitlang sah er zu, wie sich ein Strom geschäftiger Leute ein und aus ergoß, dann schlenderte er weiter. Angestrengt dachte er nach und versuchte, eine schwierige Entscheidung zu treffen. Plötzlich machte er kehrt, strebte dem Gildenhaus zu und bahnte sich mit den Ellbogen seinen Weg ins Innere.
Vor dem langen Ladentisch drängten sich Haufen schwitzender Menschen, winkten mit roten Papierzetteln der dahinterstehenden Reihe von Schreibern zu, um deren Aufmerksamkeit zu erregen, und schrien alle in den höchsten Tönen durcheinander. Es waren die Schlepper und Botengänger der Restaurants und Teehäuser, und die roten Zettel trugen die Namen der Kurtisanen und Prostituierten, die von den Gästen der verschiedenen Vergnügungsstätten verlangt wurden. Sobald es einem von ihnen gelang, seinen Zettel einem Schreiber auszuhändigen, fing dieser an, ein vor ihm liegendes dickes Buch durchzuwälzen. War die Frau unbesetzt, so trug er die Zeit und den Namen des Bordells in seinem Buch ein, stempelte den Zettel ab und gab ihn an einen der an der Tür herumlungernden Laufburschen. Der rannte los, um den Zettel zum Schlafhaus zu bringen, in dem die Frau untergebracht war, und in Kürze würde sich diese an den Ort begeben, wo sie gewünscht wurde.
Ma Jung drängte den an der Halbtür des Ladentisches postierten Wächter rücksichtslos beiseite. Dann schritt er geradeaus in den hinteren Raum des Büros, wo der Oberschreiber hinter einem großen Schreibtisch thronte. Er war ein ungeheuer fetter Mann mit einem runden, glatten Gesicht. Mit schläfrigen, unter schweren Lidern liegenden Augen blickte er hochmütig auf Ma Jung herab. Ma Jung zog seinen Amtspaß aus dem Stiefelschaft und warf ihn auf den Tisch. Nachdem der Fettwanst das Papier aufmerksam durchgelesen hatte, sah er lächelnd auf und fragte höflich: »Was kann ich für Euch tun, Herr Ma?«
»Mir helfen bei einem einfachen Geschäft, das könnt Ihr tun! Ich will eine Kurtisane zweiten Ranges freikaufen. Sie heißt Silberfee.«
Fettwanst kräuselte die Lippen. Abschätzend musterte er Ma Jung und nahm ein umfangreiches Kontobuch aus seinem Schubfach. Er blätterte darin, bis er die gesuchte Eintragung gefunden hatte. Bedächtig las er sie durch, räusperte sich wichtigtuerisch und sagte:
»Wir kauften sie billig, anderthalb Goldbatzen. Doch ist sie sehr beliebt und eine gute Sängerin außerdem. Wir gaben ihr kostbare Kleider, die Rechnungen sind alle hier. Sie machen zusammen …« Er griff nach dem Rechenbrett.
»Hört auf mit Eurem Gegacker! Ihr habt ein gutes Stück Geld an sie verwendet, aber sie brachte Euch fünfzigmal soviel wieder ein. Also will ich Euch den
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