Richter 07
aufgeblasene Akademiker mir gerade gegenüber. Der scheinheilige Halunke meinte, ich spielte tollkühn! Nachher machte er sich an mich heran und fragte, ob ich mein Geld zurückgewinnen wolle durch eine Dienstleistung. Natürlich sagte ich ja, selbst wenn ich Arbeit tun müsse. Nun nahm er mich mit zu Wen in den Laden. Zusammen heckten sie einen Plan aus oder so, gegen Feng Dai. Der lief darauf hinaus, daß Feng Unannehmlichkeiten haben sollte, worauf Li seinen Einfluß in der Hauptstadt geltend machen, Feng absetzen und durch Wen als Amtsvorsteher auf der Insel nachfolgen lassen wollte. Natürlich sollte Li dadurch nicht ärmer werden. Ihr wißt ja, hohe Tiere unter sich! Li und Wen wünschten von mir, ich sollte mich in Fengs Vertrauen einschleichen und in seinem Landhaus herumschnüffeln. Dort sollte ich auch ein kleines Kästchen verstecken. Das war alles.«
»Die dreckigen Schufte! Und Ihr, Narr, sagtet ja?«
»Kein Grund, mich mit Schimpfnamen zu belegen, lieber Mann! Möchtet Ihr vielleicht gern auf dieser Insel gestrandet sein, ohne einen Kupferling in Eurem Ärmel? Nebenbei kannte ich Feng überhaupt nicht. Hielt ihn für einen ebenso großen Schuft wie die anderen, natürlich. Laßt mich doch ausreden; schwer genug, den Faden meiner traurigen Geschichte nicht zu verlieren. Übrigens, hörte ich nicht das Wort ›teilen‹ von Euch in Verbindung mit diesem Krug?« Ma Jung schenkte ihm den Becher wieder voll. Der junge Poet trank gierig und fuhr fort: »Kurz und gut, Li sagte, ich müßte zu Feng gehen und mir von ihm eine Anleihe ausbitten, rückzahlbar, nachdem ich mein Examen bestanden hätte. Scheint, daß Feng eine Schwäche für junge, begabte Poeten hat, die in Not geraten sind.
Soweit gut und schön. Doch als ich mich Feng gegenübersah, entpuppte er sich als ein freundlicher, umgänglicher Herr. War auch mit der Anleihe einverstanden. Und außerdem schien ich ihm zu gefallen, denn für den nächsten Tag lud er mich zum Essen ein, und dasselbe tat er für den folgenden Tag. Seine Tochter lernte ich kennen, ein entzückendes Mädchen, und auch Tau Pan-te, ein tadelloser Kerl. Von Dichtkunst verstand er auch ’ne Menge. Hatte meine Gedichte gelesen und meinte, sie hätten etwas von antiker Formvollendung.«
Kia füllte seinen Becher nach, nahm einen langen Zug und fuhr dann fort:
»Nach dem zweiten Essen ging ich zu Wen, erklärte ihm, daß ich mich weigern müsse, bei Feng herumzuschnüffeln. Er sei ein Ehrenmann, wie ich herausgefunden habe, und ich als Ehrenmann würde Ehrenmänner nicht ausspionieren. Ich fügte hinzu, daß ich genau aus diesem Grund mir nichts daraus machen würde, ihn, Li und alle seine Freunde auszuspionieren. Vielleicht habe ich noch dies und jenes gesagt. Gut, Wen schrie, ich hätte sowieso keinen Kupferling von ihnen bekommen, weil Li es sich anders überlegt habe. Der ganze Plan sei abgeblasen. Mir war das recht. Ich lieh mir einen Silberbatzen von meinem Herbergsvater als Vorschuß auf die von Feng versprochene Anleihe und stürzte mich in den Strudel der Nachtlokale und Lasterhöhlen. Da lief mir ein Mädchen in den Weg, das lieblichste und netteste Geschöpf, das mir je begegnet war. Es war das Mädel, auf das ich all meine Jugendjahre gehofft hatte.«
»Verfaßt sie auch Gedichte?« fragte Ma Jung mißtrauisch.
»Nein, dem Himmel sei’s gedankt! Nettes, einfaches, mitfühlendes Mädel! Bei dem man sich zu Hause fühlt, wenn Ihr versteht, was ich damit sagen will. Beständig, zuverlässig. Der Himmel bewahr mich vor literarisch gebildeten Mädchen!« Er bezwang einen Aufstoßer und fuhr dann fort: »Solche schöngeistigen Mädchen sind überspannt, ich selber bin’s, und das genügt. Nein, lieber Mann, in meinem Haushalt soll nur einer Verse schmieden, und das bin ich! Ich allein!«
»Warum seid Ihr dann schlechter Laune?« rief Ma Jung. »Erhabener Himmel, manch einer rennt blind in sein Glück! Ihr heiratet die Fengtochter und nehmt das andere Mädel, das gemütvolle Wesen meine ich, als Konkubine ins Haus.«
Kia richtete sich in seinem Stuhl aufrecht. Mit Anstrengung sah er seinen Zechkumpan scharf an und sagte stolz:
»Feng Dai ist ein Ehrenmann, und Fräulein Feng ist keine Dirne, sondern ein wohlerzogenes, ehrbares Mädchen, obwohl sie die Nase ein bißchen hochträgt. Feng hat mich gern, sie hat mich gern, und ich habe beide gern. Glaubt Ihr, ich wäre ein so gemeiner Kerl, Fengs Tochter zu nehmen, dazu sein Geld, und hierauf als bescheidenen Beitrag zu
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