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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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erlosch.
    »Damals wurde eine Kurtisane namens Jadegrün zur Blumenkönigin erwählt. Kanntet Ihr sie näher?«
    »So war es. Aber sie starb. Vor dreißig Jahren während der Epidemie. Ich war eine der ersten, die von dem schrecklichen Übel befallen wurden. Ich erfuhr Jadegrüns Tod erst einige Wochen nachher, als ich … geheilt war. Sie wurde wenige Tage nach mir krank und … starb.«
    »Ich möchte annehmen, daß Jadegrün viele Bewunderer hatte?«
    »Ja, es waren viele. Die meisten von ihnen kannte ich nicht. Nur zwei waren mir näher bekannt, alle beide auf dieser Insel ansässig, Feng Dai und Tau Kwang. Als es mir besser ging, war Tau gestorben, und auch Jadegrün war tot.«
    »Bemühte sich nicht auch Wen Yüan, der Kuriositätenhändler, um ihre Gunst?«
    »Wen Yüan? Den kannte ich auch. Wir gingen ihm aus dem Weg, er quälte die Frauen aus perverser Lust. Wie ich mich erinnere, machte er Jadegrün viele kostbare Geschenke, doch sie würdigte sie keines Blicks. Lebt Wen noch? Er muß jetzt über sechzig sein. Nein, wie die Zeit vergeht!«
    Eine Gruppe Kurtisanen ging am Fenster vorbei, aufgeregt redend. Sie brachen in schallendes Gelächter aus.
    »Glaubt Ihr«, fragte sie Richter Di von neuem, »daß etwas Wahres an dem Gerücht war, Feng Dai wäre Jadegrüns Geliebter gewesen?«
    »Feng Dai war ein hübscher Mann, so wie ich ihn in Erinnerung habe. Ehrlich, zuverlässig. Da gab’s nicht viel zu wählen zwischen ihm und Tau Kwang, denke ich. Obwohl auch Tau Kwang ansehnlich war; ein guter, redlicher Mann. Und sehr verliebt in sie.«
    »Da liefen auch Gerüchte um, daß Tau Kwang sich das Leben genommen habe, weil sie Feng vorzog. Ihr kennt ihn ja, Fräulein Ling. Trautet Ihr Tau Kwang eine solche Tat zu?«
    Sie antwortete nicht gleich. Sie erhob das erblindete Gesicht und lauschte den Gitarrentönen, die aus einem Zimmer im oberen Stockwerk zu ihnen drangen. Es war dasselbe, immer wieder geübte Thema. Sie sagte:
    »Sie sollte ihre Gitarre besser stimmen. Ja freilich, Tau Kwang war arg in Jadegrün verliebt. Vielleicht nahm er sich ihretwegen das Leben.« Sie vernahm ein Geräusch, das Tau Pan-te durch tiefes Atemholen verursachte. Sie fragte: »Wen habt Ihr bei Euch, Herr?«
    »Einen meiner Gehilfen.«
    »Das ist nicht wahr«, widersprach sie ruhig. »Ich hörte ihn, auch er muß Tau Kwang näher gekannt haben. Er kann Euch mehr über ihn sagen als ich, Herr.«
    Plötzlich wurde ihr schwächlicher Körper von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt. Sie zog ein zusammengeknülltes Taschentuch aus dem Ärmel hervor und wischte damit über die Lippen. Als sie es wegsteckte, waren Blutflecken darauf.
    Richter Di erkannte, daß die Frau todkrank war. Er wartete, bis sie sich erholt hatte, dann begann er von neuem:
    »Man hat auch getuschelt, daß Tau Kwang nicht Selbstmord verübte, daß er von Feng Dai getötet wurde.«
    Langsam schüttelte sie den Kopf.
    »Das ist bestimmt üble Nachrede, Herr. Tau Kwang war Fengs bester Freund. Ich habe sie miteinander reden gehört – über Jadegrün. Eins weiß ich sicher: wenn sich Jadegrün für den einen entschieden hätte, wäre der andre zurückgetreten und hätte sich ihrem Entschluß gebeugt. Aber sie entschied sich für keinen, soviel ich weiß.«
    Richter Di warf Tau Pan-te einen fragenden Blick zu. Der schüttelte den Kopf. Es schien keine weiteren Fragen zu geben. Darauf vernahmen sie wieder die schöne, volle Stimme:
    »Ich glaube, Jadegrün sehnte sich nach einem Mann, der nicht nur äußerlich gut aussah, einen treuen Charakter besaß und reich war. Sie wollte mehr. Einen Mann, der wohl alles das hatte, aber mit einem wilden, unwiderstehlichen Einschlag. Einen Mann, der sorglos ausstreuen konnte, was er besaß: sein Geld, sein Hab und Gut, der zur Aufgabe seiner Stellung und seines guten Rufes fähig war, kurz, der alles opfern konnte. Der es fortzuwerfen vermochte, als wäre es nichts, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden – für die Frau, die er liebte.«
    Die Stimme verklang. Richter Di starrte unverwandt zum Fenster hin. Die Gitarrenmelodie, mit aufreizender Beharrlichkeit wiederholt, zerrte an seinen Nerven. Nur mit Mühe beherrschte er sich.
    »Ich bin Euch unendlich dankbar, Fräulein Ling. Ihr müßt müde sein. Ich werde eine Sänfte für Euch kommen lassen.«
    »Ich weiß Eure Aufmerksamkeit zu schätzen. Vielen Dank, Herr.«
    Die Worte waren unterwürfig, aber der Ton gehörte einer großen Kurtisane, die einen Bewunderer gnädig

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