Richter 07
also Li, ich kenne einen Weg und ein Mittel, wodurch das Mädchen gezwungen würde, ihn zu besuchen und ihm ihre Liebe zu schenken. Er brauche mich nur am Nachmittag in meinem Hause aufzusuchen, wo wir dann alle Einzelheiten besprechen könnten.«
Der Kunsthändler wagte einen raschen Blick auf Richter Dis undurchdringliches Gesicht, bevor er weitersprach:
»Li kam. Ich erzählte ihm, daß früher einmal ein angesehener Bürger sich umgebracht habe, weil ihn die von ihm geliebte Kurtisane betrogen hatte. Daß es allgemein bekannt sei, daß Feng der Rivale des Selbstmörders in dieser Liebesaffäre gewesen war und er Gerüchten zufolge den Mann ermordet habe. Etwas Wahres muß an diesen Gerüchten gewesen sein, Euer Gnaden! Ich kann beschwören, daß an dem Abend, an dem der Mann starb, ich Feng um die Herberge streichen sah, wo es geschah! Ich bin überzeugt, daß es tatsächlich Feng war, der den Mann ermordete und die Szene so herrichtete, als ob hier ein Selbstmord vorliege.« Er räusperte sich und fuhr dann fort: »Ich sagte Li, Fräulein Feng kenne diese Gerüchte über ihren Vater. Falls der Akademiker ihr Botschaft schicke, daß er unwiderlegbare Beweise von der Schuld ihres Vaters besitze, würde sie unweigerlich zu ihm kommen, denn sie liebt ihren Vater abgöttisch. Also könne er mit ihr tun, was er wolle, ohne Gefahr einer Anzeige durch sie zu laufen. Das ist alles, ich schwöre es, Euer Gnaden! Ich weiß nicht, ob der Akademiker in der Tat ihr eine solche Botschaft schickte; ich weiß auch nicht, ob das Mädchen, falls er es tat, ihm einen heimlichen Besuch abstattete. Ich weiß nur, daß an dem Abend, an dem Li starb, ich Feng im Park sah, direkt hinter dem Roten Pavillon. Doch ich weiß nicht, was sich dort ereignet hat. Bitte, Ihr könnt mir glauben, Euer Gnaden!«
Er fiel von neuem vor dem Richter auf die Knie und schlug die Stirn mehrmals auf den Boden.
»Ich werde jedes Eurer Worte genau nachprüfen«, sagte Richter Di. »Ich hoffe – für Euch –, daß Ihr die Wahrheit gesagt habt! Nun schreibt Euer volles Geständnis nieder und erwähnt darin, daß Ihr vor dem Gericht absichtlich gelogen habt. Auch daß Euch Herbstmond zuflüsterte, Ihr würdet im Übungssaal Silberfee nackt an einen Pfosten gebunden und Euch hilflos ausgeliefert vorfinden. Daß Ihr anschließend dorthin gingt und das Mädchen mit einer langen Bambusflöte grausam auspeitschtet, als sie sich weigerte, Euren ekelhaften Gelüsten zu willfahren. Steht auf und tut, was ich Euch befahl!«
Behende stand Wen wieder auf den Füßen. Mit zitternden Händen holte er einen Bogen Papier aus dem Schubfach und breitete ihn auf dem Tisch aus. Doch nachdem er den Schreibpinsel angefeuchtet hatte, schien er nicht zu wissen, wie er einen Anfang machen sollte.
»Ich werde diktieren«, entschied Richter Di kurz und bündig. »Schreibt! Ich, der Unterzeichnete, gestehe hiermit, daß in der Nacht des 28. Tags des siebenten Monats …«
Als der Kunsthändler geendet hatte, befahl ihm der Richter, Siegel und Daumenabdruck unter das Dokument zu setzen. Hierauf schob er es Ma Jung zu, der als Zeuge ebenso verfuhr und das Dokument mit seinem Daumen bestätigte.
Richter Di erhob sich, steckte das Dokument in seinen Ärmel und sagte knapp:
»Eure Reise nach der Hauptstadt ist abgesagt. Ihr steht bis auf weiteres unter Hausarrest.«
Damit wendete er sich zum Gehen. Gefolgt von Ma Jung, ging er würdevoll die Treppe hinunter.
Zwölftes Kapitel
Als sie die Straße entlanggingen, meinte Richter Di:
»Ich muß zugeben, daß ich der Krabbe und Eurem anderen Freund unrecht getan habe. Sie gaben uns wertvolle Aufklärung.«
»Ja, die zwei sind richtig. Trotzdem muß ich gestehen, daß ich zweimal soviel Zeit gebrauche, um zu kapieren, was sie eigentlich sagen wollen – besonders die Krabbe! Was Wen anbetrifft, glaubt Ihr wirklich, Herr, was uns dieser gemeine Schwindler eben sagte?«
»Teils, teils. Wir überrumpelten ihn. Vermutlich ist ziemlich wahr, was er vom Akademiker erzählte, der Fräulein Feng besitzen wollte, und auf Wahrheit scheint auch der ruchlose Plan zu beruhen, den ihm Wen einflüsterte. Dieses Komplott paßt so recht zur überheblichen, gewalttätigen Natur des Akademikers und ebensogut zu Wens feigem, hinterlistigem Charakter. Daraus erklärt sich auch, warum Feng die Heirat seiner Tochter mit Kia Yu-po so eifrig betreibt. Der junge Poet hängt vollständig von Feng ab und würde niemals wagen, seine Braut dem Vater
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