Richter 07
den Hochzeitsfeierlichkeiten mir eine Kurtisane zu kaufen und sie ins Haus zu holen?«
»Ich kenne viele Burschen, die die Gelegenheit beim Wickel fassen würden!« sagte Ma Jung tiefsinnig. »Mich inbegriffen!«
»Ich bin froh, daß ich nicht bin wie Ihr«, bemerkte Kia bissig.
»Umgekehrt!«
»Umgekehrt?« wiederholte der Poet langsam und furchte seine Stirn in tiefen Falten. Mit dem gekrümmten Zeigefinger abwechselnd auf Ma Jung und sich selber zeigend, lallte er: »Ihr … ich … Ihr … ich!« Dann rief er plötzlich aus: »Ihr beleidigt mich, Herr!«
»Nicht im geringsten!« sagte Ma Jung geringschätzig. »Ihr habt Euch soeben verrechnet.«
»Entschuldigt«, sagte Kia steif. »Meine Sorgen sind’s, die mich so schwer bedrücken.«
»Also, was wollt Ihr tun?«
»Ich weiß nicht! Hätte ich bloß Geld, ich würde das Mädel kaufen und verduften! Damit würde ich auch Tau einen Gefallen tun, weil er in Fräulein Feng verknallt ist, das wißt Ihr ja, nur zeigt er es nicht gern.« Sich zu Ma Jung nahe hinüberbeugend, flüsterte er mit heiserer Stimme: »Herr Tau hat seine Bedenken, versteht Ihr?«
Ma Jung stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Nun hört mal auf einen welterfahrenen Mann, mein Junge!« sagte er ärgerlich. »Ihr und Tau und alle diese überempfindlichen Pinselschwinger, Ihr macht die Dinge verworren für Euch und auch für andre Leute. Ich will Euch sagen, was Ihr zu tun habt. Heiratet die Fengtochter, gebt ihr einen Monat lang alles, was Ihr an Liebeskraft besitzt, bis sie so windelweich ist, wie eine Frau nur sein kann, und Euch anfleht, ihr eine kleine Ruhepause zu gönnen. Dann sagt Ihr, es geht in Ordnung, sie soll ihre Pause haben. Aber da Ihr es ja nicht aus den Poren herausschwitzen könntet, müßtet Ihr Euch das gemütvolle Wesen zulegen. Ihr werdet sehen, Eure Frau wird Euch von Herzen dankbar sein und das andre Dirnchen ebenso, und beide werden friedlich oder verlangend sein, ganz wie Ihr sie haben möchtet. Dann geht Ihr auf die Suche und kauft Euch eine dritte Frau, so daß Ihr jederzeit ein vierhändiges Dominospiel vorschlagen könnt, wenn sie sich in die Haare geraten. So macht’s mein Chef Richter Di mit seinen drei Weibern, und der ist ein gelehrter Mann und ein vornehmer Herr. Und da ich gerade von ihm spreche, fällt mir ein, daß ich jetzt gehen muß!«
Er setzte den Weinkrug an den Mund und leerte ihn. »Dank Euch für die Unterhaltung!« sagte er und ging fort, indem er den Poeten allein ließ, der vergeblich nach einer entrüsteten Antwort suchte.
Vierzehntes Kapitel
Nachdem Richter Di das Schlafhaus der Kurtisanen verlassen hatte, ging er geradewegs zu Feng Dais Landhaus. Am Tor übergab er dem Hausdiener seine große amtliche Besuchskarte. Gleich darauf trat Feng in den Vorderhof und eilte dem unerwarteten Gast entgegen. Begierig erkundigte er sich, ob irgendeine neue Wendung eingetreten sei.
»Ja«, sagte der Richter gleichmütig. »Es haben sich einige neue Tatsachen ergeben. Ehe ich aber amtlich vorgehe, möchte ich sie mit Euch besprechen. Und auch mit Eurer Tochter, wenn es Euch gefällig ist.«
Feng sah ihn unsicher an. Zögernd sagte er:
»Ich nehme an, daß Euer Gnaden die Besprechung vertraulich zu halten wünscht?« Als Richter Di zustimmend nickte, fuhr er fort: »Erlaubt mir, Euer Gnaden in den Gartenpavillon zu führen, wo Ihr heute früh mit Herrn Tau spracht.«
Er erteilte dem Diener einen kurzen Befehl und führte dann den Richter durch die prächtigen Säle und Gänge zu dem hinter dem Haus gelegenen Garten.
Nachdem sich die beiden Herren an den kleinen Teetisch gesetzt hatten, füllte ihnen der Diener zwei Schalen und zog sich zurück. Bald darauf näherte sich Jaderings schlanke Gestalt auf dem zum Haus führenden Gartenweg. Sie trug dasselbe schwarze Damastkleid wie am Morgen.
Nachdem Feng seine Tochter dem Richter vorgestellt hatte, stellte sie sich neben ihres Vaters Stuhl, die Augen sittsam zu Boden geschlagen.
Richter Di lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Indem er seinen langen schwarzen Bart behutsam glättete, sagte er zu Feng:
»Ich habe erfahren, daß der Akademiker Li Liän Eure Tochter nach dem Zusammenstoß der beiden Boote kennenlernte und dabei unehrenhafte Absichten auf sie zu erkennen gab. Ich habe weiter erfahren, daß er ihr später eine Botschaft zukommen ließ, in der er sagte, daß sie zu ihm in den Roten Pavillon kommen sollte. Täte sie es nicht, so würde er gewisse Tatsachen über ein von Euch angeblich
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