Richter 07
Originalpreis bezahlen, und zwar bar in die Hand.«
Er holte das Päckchen mit den beiden Goldbarren, die er von Onkel Peng geerbt hatte, unter dem Brustlatz hervor, entfernte das Einwickelpapier und legte sie auf den Tisch.
Der dicke Mann starrte auf die beiden gleißenden Barren und rieb sich bedächtig das Doppelkinn. Mit Trauer im Herzen überlegte er, daß er einen Gerichtsbeamten nicht verärgern dürfe. Der große Chef würde das nicht gerne sehen. Trotzdem war die Sache mißlich genug, und der Windhund da schien schön scharf hinter ihr her zu sein. Wäre er ein unbekannter Fremdling, so würde er ohne Zweifel willig den doppelten Preis zahlen, und ein reichliches Trinkgeld obendrein. Er hatte schon heute seinen unglücklichen Tag, denn sein Sodbrennen quälte ihn eben schlimmer denn je. Er rülpste, trennte hierauf schmerzlich seufzend eine gestempelte Quittung aus dem Buche ab und reichte sie Ma Jung. Dann zählte er ihm umständlich das Wechselgeld hin, zwanzig Silberbatzen. Beim letzten Batzen zögerte er lange, als könnte er sich nicht von einer Geliebten losreißen.
»Packt sie sauber ein – allesamt!« befahl der breitschultrige Mann.
Der Oberschreiber schaute ihn schmerzerfüllt an. Langsam wickelte er das Silber in ein Stück rotes Papier.
Ma Jung steckte das Paket und die Bescheinigungen in seinen Ärmel und ging hinaus.
Er glaubte den richtigen Entschluß gefaßt zu haben. Einmal kam für jeden Mann der Augenblick, wo er seßhaft werden mußte, und was lag näher, als daß dazu keine Frau besser geeignet war als ein schmuckes Mädchen aus dem eignen Dorf? Er konnte mit dem ihm vom Richter gezahlten Lohn unschwer eine Familie begründen, was nützlicher war, als sein ganzes Geld an Wein und lockere Mädchen zu verschwenden, wie es bis jetzt seine Gewohnheit gewesen war. Der einzige Haken dabei war, daß ihn seine beiden Kumpane Tschiao Tai und Tao Gan nun dauernd aufziehen würden! Ach, laßt sie doch! Wenn diese Windhunde seine Liebste erst einmal gesehen haben würden, dann würden sie bald genug das Maul halten!
Während er um die Ecke der Straße bog, in der die Herberge zur »Ewigen Wonne« lag, fiel ihm das einladende rote Schild einer Weinschenke ins Auge. Er beschloß, sich einen Trunk zu leisten.
Doch als er den Türvorhang beiseite geschoben hatte, sah er, daß die vom Lärm erfüllte Schankstube von weinseligen Trinkern schon dicht besetzt war. Ein einziger Platz war frei, am Tisch vor dem Fenster, wo ein traurig dreinblickender Jüngling vor sich hinbrütete und unmutig in seinen leeren Weinkrug starrte.
Ma Jung zwängte sich durch die Tische und fragte den Mann:
»Habt Ihr was dagegen, Herr Kia, wenn ich mich zu Euch setze?«
Das Gesicht des jungen Mannes erhellte sich.
»Hocherfreut!« antwortete er. Dann wurde er wieder traurig und fügte hinzu: »Tut mir leid, daß ich Euch nichts anzubieten habe, aber meine letzten Kupferlinge flossen weg mit dem Wein aus diesem Krug. Der alte Feng hat die versprochene Anleihe noch immer nicht ausgespuckt.«
Er lallte, woraus Ma Jung schloß, daß dieser letzte Krug wohl der letzte einer stattlichen Reihe von Krügen war. Er sprach fröhlich:
»Trinkt einen Krug mit mir zusammen!« Er rief den Schankkellner und bestellte einen großen Krug. Er zahlte und füllte die beiden Becher.
»Der erste Schluck auf unser Glück!« Er leerte seinen Becher in einem Zug und füllte ihn gleich darauf von neuem. Der Poet tat ihm Bescheid und sagte dann trübsinnig:
»Dank Euch! Glück habe ich wahrhaftig nötig!«
»Ihr? Heiliger Himmel, Mann, ausgerechnet Ihr, der künftige Schwiegersohn von Feng? Der binnen kurzem die einzige Tochter des allmächtigen Gebieters über alle Spieltische heiratet? Tot umfallen will ich, wenn das nicht der genialste Dreh ist, Eure Spielverluste wieder wettzumachen!«
»Gerade das ist’s! Genau deswegen brauche ich Glück, ganze Körbe voll davon, um aus meiner verzwickten Lage herauszukommen. Und dieser Schweinekerl Wen ist’s, der mich in diese scheußliche Patsche gesetzt hat!«
»Ich begreife nicht, worin Eure Sorgen bestehen sollten. Daß Wen ein Hundesohn ist, darin bin ich eins mit Euch!«
Aus schwimmenden Augen blickte ihn Kia lange an. Dann sagte er:
»Seit der Akademiker mit Tod abgegangen und der Plan abgeblasen ist, schade ich niemandem, wenn ich Euch einiges anvertraue, denke ich. Nun, um die Sache kurz zu machen, hört zu. Als ich mein Geld an diesem Teufelstisch verloren hatte, saß dieser
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