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Richter

Richter

Titel: Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Ciancarlo de u Lucarelli Andrea u Cataldo Cammilleri
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Übersetzung. Die kriegen wir für fünf-, höchstens sechstausend, sechstausendfünfhundert, schließlich ist er ein Hungerleider. Dann machen wir Fotokopien und verkaufen sie den anderen. Denen, die hängen zu bleiben drohen, aber es noch schaffen können, wenn sie sich anstrengen, und denen, denen nicht mal Jesus Christus mehr helfen kann, aber die noch hoffen ... Verstehst du? Gut. Zwanzig Stück kriegen wir jedes Mal ohne Weiteres los, selbst wenn wir die Ware knapp halten. Wir verkaufen’s den Wackelkandidaten für sieben, von den Aussichtslosen nehmen wir zehn. He, das sind Esel, da müssen sie schon bisschen was investieren, findest du nicht? Also, sagen wir mal, durchschnittlich achttausend, macht jedes Mal hundertundsechzig, abzüglich die fünf bis sechs für den Hungerleider, ach was, sagen wir zehn, der ist wirklich ein Hungerleider ... Bleiben noch hundertfünfzig. Fünfundsiebzigtausend Lire pro Nase. Kapierst du, Ottá? Er zehn, und wir jeder fünfundsiebzig. Das ist der gerechte Anteil für den, der das Risiko auf sich nimmt! So, und jetzt: drei Lateinübersetzungen pro Trimester und drei in Griechisch, macht sechs. Hundertfünfzig mal sechs macht neunhundert. Am Ende springt da fast eine halbe Million pro Nase raus. Und he, hör mal, das ist der Knüller: Teodorico arbeitet daran, auch die Aufgaben für die Mathearbeiten zu kriegen. Für unter zwanzigtausend geben wir die nicht raus, oder?«
    »Und warum nicht auch die Aufsätze?«, erkühnte Ottavio sich zu fragen, hin und her gerissen zwischenEkel und der Neugier, wie weit Pierfiliberto wohl gehen mochte, wo seine Grenze war, falls er denn eine hatte.
    »Spinnst du? Soll es mir leid tun, dass ich dir das erzählt hab? Die Aufsätze sind doch persönlich. Da steht drin, wie jeder Einzelne die Welt sieht. Die kann man nicht vervielfältigen, da erwischen die uns sofort.«
    In genau diesem Moment begriff Ottavio endgültig: Pierfiliberto war nicht nur gierig, hinterlistig und scherte sich fröhlich keinen Deut um Regeln. Der Junge war auch intelligent. Intelligent, und, wie sich in den kommenden Jahren zeigen sollte, bisweilen unkalkulierbar und geradezu genial.
    »Entschuldige, aber warum machst du das schöne Geschäft nicht allein? Was soll ich dabei?«
    »Ach, Ottavio, caro! Ich bringe es im Schnitt gerade mal auf sechs Punkte. Du bist in allen Fächern der Klassenbeste. Angenommen, sie kommen uns auf den Dreh ... Das sollte nicht passieren, aber ... Mal angenommen, sie kommen uns drauf, dann kannst du immer noch behaupten, du würdest es aus humanitären Gründen machen, als Protest gegen das System, was weiß ich ... Du bist doch links, oder? Du erfindest was! So. Protest gegen das System. Dann können sie dir nichts tun, du stehst sogar super da. Komm schon, mach mit!«
    Ottavio hatte sich geweigert.
    Ein paar Jahre später wären sie aber tatsächlich beinahe Freunde geworden. Beinahe.
    Es war ungefähr 1980. Ottavio lernte wie ein Kranker für die Aufnahmeprüfung zum Richteramt. Er und Pierfiliberto hatten sich längst aus den Augen verloren: verschiedeneUniversitäten, verschiedene Kreise, verschiedene Ambitionen. Eines schönen Tages kehrte Pierfiliberto nach Novere zurück, große Projekte im Kopf.
    »Schau mal, mein Lieber. Du wirst dich ja gefragt haben, warum ich trotz deinem starrsinnigen Sträuben all die Jahre un-ab-läs-sig deine Freundschaft gesucht habe. Jetzt erklär ich dir das. Ich habe gelernt, nein, ich habe begriffen, sofort, als ich zu denken angefangen habe, dass es zwei Kategorien von Menschen gibt: die Idioten und die, die herausragen. Die Idioten sind die Masse, und die Masse lässt sich leicht führen. Man muss ihnen nur geben, was sie wollen. Also, was ich will. Ich habe da klare Vorstellungen ... Sehr klare ... Aber die Herausragenden ... ›wir‹, die herausragen, wenn du erlaubst, denn ich schätze dich, ich respektiere dich, ich sehe dich als einen von uns, wie mich, schau, in dem Punkt sind wir uns sehr ähnlich ... Mehr als nur Freunde ... Brüder sind wir, Ottavio, Brüder ... Wo war ich?«
    »Wir, die herausragen ...«
    »Ah ja ... Wir, die herausragen, dürfen uns nicht gegenseitig bekriegen. Wir müssen auf derselben Seite stehen. Das ist ein Naturgesetz. Wir dürfen unsere Energien nicht in einem Bruderzwist vergeuden. Wir müssen zusammenarbeiten, für den Fortschritt der Menschheit ...«
    »Entschuldige, aber ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen? Für den Fortschritt der Menschheit ...«
    »Nur

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