Richtig verbunden
Herz schlug ihr bis zum Hals. »Kann ich dich zum Essen einladen?«
»Du bist in Berlin und ich in Köln.«
Linda lächelte. »Ich könnte nächstes Wochenende runterfliegen und für eine Nacht bleiben.« Als keine Antwort kam, fügte sie hastig hinzu: »Selbstverständlich werde ich in einem Hotel schlafen.«
Irgendetwas knarrte. »Ich weiß nicht.«
Langsam ließ Linda den angehaltenen Atem entweichen. Christina hatte sie angerufen, also gab es auch eine Chance für sie. G anz vorsichtig. Nur nichts überstürzen. »Wie wäre es damit: Wir können ja erst mal telefonieren. Und uns vielleicht etwas kennenlernen. Wir sind ja nicht in Eile. Und dann kannst du entscheiden, ob du mich noch mal sehen willst. Äh, ob ich dich zum Essen einladen darf. Was meinst du?«
Und wieder folgte diese furchtbare Stille. Das Ticken der Wanduhr hinter ihr schien fast ohrenbetäubend.
»Okay.«
Linda strahlte. Ja! »Hast du jetzt etwas Zeit zum Reden oder musst du arbeiten?«
»Ich rufe von meinem Privattelefon an. Solange die Zweitleitung nicht klingelt, kann ich reden.«
»Verstehe. Tja.« Lindas Finger trommelten auf die Couchlehne ein. Normalerweise hatte sie nie Probleme, andere Menschen in ein Gespräch zu verwickeln. Das war ja mehr oder weniger ihr Beruf. Aber jetzt, mit Christina, hatte sie wirklich keine Ahnung, wie sie das Gespräch am Laufen halten konnte.
Christina räusperte sich. »Was machst du gerade?«
»Ich … ich sitze gerade auf der Couch im Wohnzimmer und telefoniere.«
Christina kicherte. »Und was hast du gemacht, bevor ich angerufen habe?«
Schmunzelnd sagte Linda: »Eine Telefonverkäuferin abgewimmelt. Und davor rief eine Patientin an. Sie musste ihren Termin absagen.«
»Rufen deine Patienten oft zu Hause bei dir an?«
»Es kommt vor, ja. Hauptsächlich geht es um Terminfestlegungen, aber manchmal bekomme ich auch Anrufe, weil ein Patient in einer Krise steckt.«
»Mmhh, das bedeutet ja, du bist ständig auf Abruf. Das stell ich mir ziemlich stressig vor.«
Linda zuckte mit den Schultern. »Eigentlich nicht. Es ist ja nicht so, dass ich stündlich angerufen werde. Und in den zwei Jahren, in denen ich jetzt meine Praxis habe, wurde ich bloß einmal in der Nacht angerufen.«
»In der Nacht?«
»Ja. Es war ein Notfall. Direkt im Anschluss an das Gespräch wurde der Patient in eine Klinik eingeliefert.«
»Oh.«
Linda rollte mit den Augen. Langweile sie nicht mit deiner Arbeit. »Aber genug von mir. Was machst du denn gerade?«
»Ich sitze auf meinem Bett und telefoniere mit dir.«
Linda grinste. »Wirklich?«
»Mmhhmm.«
»Und außerdem?«
»Ich hab versucht, Mathe-Hausaufgaben zu machen. Aber ich bin echt grottig drin.«
»Mathe?« Ja! Sie erzählt was Privates von sich.
»Yap. Ich hole das Abitur nach.«
Oh. »Verstehe. Mmhh … Was macht ihr denn gerade? In Mathe war ich eigentlich immer ganz gut. Vielleicht kann ich ja helfen.«
»Ich hab erst vor Kurzem angefangen. Eigentlich machen wir im Augenblick noch nichts Schweres. Aber ich hab nur den Hauptschulabschluss und daher fällt mir dieser Kram, den wir jetzt machen, nicht ganz leicht. Und das ist auch alles ziemlich lange her für mich.«
Linda führte eine Hand zum Mund, stoppte sich jedoch im letzten Moment. Sie hatte schon vor Jahren aufgehört, an den Fingernägeln zu kauen. Soll ich sie nach ihrer Geschichte fragen oder versuch ich, ihr stattdessen zu helfen? Sie wird schon von sich aus was über sich erzählen, wenn sie das möchte. Oder? Linda fummelte an ihrem Hosensaum herum. Christina zu helfen brachte sicher mehr Sympathiepunkte, also entschied sie sich dafür. »Wo ist das Problem?«
»Hast du was zu schreiben?«
»Nein, warte mal.« Mit dem Telefon am Ohr sprang Linda auf, eilte in ihr Arbeitszimmer und schaltete das Licht an. Sie nahm ein paar Blätter Papier aus der Schreibtischschublade und fischte einen Kuli aus dem Stiftebecher. Danach ließ sie sich in ihren Bürostuhl fallen. »Schieß los.«
»4x² durch 3x² plus 5x minus, äh, 3 gleich 7x.«
»Okay, ich hab‘s. Was genau macht dir Schwierigkeiten?«
»Ich verstehe diesen ganzen Kram nicht.« Ein Knarren drang durch den Telefonhörer. Es klang wie Bettfedern. Offenbar machte Christina es sich auf ihrem Bett bequem.
Linda schoss das Bild von Christina durch den Kopf, wie sie schlafend in ihrem Bett lag. Nackt und nur spärlich von einer Decke verhüllt. Ihr Mund war plötzlich ganz trocken und sie schluckte. Konzentrier dich. Himmel. Seit
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