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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Macht’s gut, ihr zwei, und passt auf euch auf, klar?«
    Ich sah ihm hilflos nach und hätte am liebsten geheult. Das war’s mit unserem fahrbaren Untersatz. Die ganze Erpressungsgeschichte stürzte über mir zusammen, begrub mich unter ihrem Gewicht und brachte meine Bingotrommel zum Rotieren.
    Oskar versetzte mir einen Knuff in die Seite, als Berts sich auf die Maschine schwang. »Frag ihn trotzdem! Mach schon!«
    Ich konnte nicht. Ich hörte nur das Klackern der Kugeln in meinem Kopf, in das sich das Geschrei aus der Studentenwohnung mischte und dazu das leise Rumpeln der draußenstartenden Ducati. Ich sah ganz viele Dinge gleichzeitig vor mir: Mamas trauriges Gesicht, die fürchterliche Ellie und den armen kleinen Porsche, und Oskar, wie er seine grüne Sporttasche aus dem Flur in die Küche trug und kurz darauf weinend am Tisch saß. Ich sah Fitzke, wie er es in seinem nicht wirklich zu ihm passenden Anzug am Herzen hatte und mit bläulichen Lippen auf dem Boden lag, ich sah Frau Dahling mit ihrem frischen Scheidungshaarschnitt in ihrem Speckröllchenkleid und ich sah den halb nackten B mit seiner blöden Champagnertussi. Vor allem aber sah ich die elende Bingotrommel im Gemeindezentrum, mit der das ganze Unglück am Dienstagabend angefangen hatte.
    Und nicht weit von der Bingotrommel entfernt sah ich die Lösung für unser Problem.

    Das Lachen drang aus unserer Wohnung bis raus in den Hausflur, sprudelnd und perlend wie gestern Abend der Sekt im Glas von Frau Dahling. Als ich es hörte, wurde ich sofort wieder etwas munterer.
    Â»Jetzt lernst du jemand Tolles kennen«, sagte ich zu Oskar.
    Dasselbe hätte ich gerne schon im Ersten zu ihm gesagt, um ihm dann Jule vorzustellen, aber Berts hatte Recht gehabt: Es war keine gute Idee, sich in den Streit zwischen ihr und Massoud einzumischen. Außerdem hatten wir, so schweres mir fiel, Jule nicht zu begrüßen, im Moment etwas Wichtigeres zu tun.
    Ich hatte Oskar meinen neuen Plan auf dem Weg die Treppen rauf erklärt. Wir nannten ihn Plan C. Um ihn in die Tat umzusetzen, brauchten wir bloß eine Adresse aus dem Telefonbuch – zur Not konnten wir sogar Mama ganz unverdächtig danach fragen – und anschließend noch etwas Glück.
    Das Glück … Ich musste mit schlechtem Gewissen daran denken, wie ich das Zweicentstück in den Brunnen am Vicky geworfen und ihm dann auch noch nachgeschaut hatte. Oskar hatte mich gewarnt: Man soll dem Glück nicht nachlaufen und ihm auch nicht entgegenblicken. Ich hatte es trotzdem herausgefordert und seitdem war alles Mögliche schiefgegangen. Da hatte ich aber auch noch nicht gewusst, das muss man schon mal sagen, was für eine blöde Mimose das Glück ist und wie gern es beleidigte Leberwurst spielt!  
    MIMOSE : Voll bescheuerte Pflanze aus dem botanischen Garten, die sofort eingeschnappt ist, wenn man sie nur harmlos anfasst; dann klappt sie ihre Blätter zusammen. Eine Leberwurst ist besser, die verliert nicht beim geringsten Anlass die Nerven, und wenn doch, kann man sie wenigstens noch auf ein Müffelchen schmieren.
    Mama hat mal gesagt, Irina besäße so eine Art eingebaute Garantie gegen Trübsal und schlechte Laune, und das stimmt. Wenn Irina einen in den Arm nimmt, hat man das Gefühl, dass die Füße nicht mehr den Boden berühren und der Kopf im Himmel steckt. Alles ist dann ganz leicht. Ich habe keine Ahnung, wie Irina das macht, aber es sind Dutzende von Männern deshalb in sie verknallt. Von denen will sie aber keinen haben. Irina sagt immer, sie würde höchstens einen uralten Multimillionär mit Herzschrittmacher heiraten.
    Sie saß am Küchentisch, die schwarzen Haare zu einem lässigen Knoten hochgesteckt, weißes T-Shirt und Jeans mit Silbergürtel und silberne Riemchensandalen. Niemand ist so schön wie Mama, aber wenn jemand nah drankommt, dann Irina. In einer Hand hielt sie Mamas kleinen Fotoapparat. Sie starrte konzentriert auf den Winzmonitor, während sie auf den Tasten herumtippte, offenbar auf der Suche nach einem ganz bestimmten Foto.
    Mama stand in ihrem japanischen Morgenmantel bei der Anrichte, vor der blubbernden Kaffeemaschine. Sie musste gerade erst aufgestanden sein und sie sah aus, als hätte sie schlecht geschlafen. Sie schaute Oskar an, eine Art Fragezeichen im Blick, und holte tief Luft, als wollte sie ihm etwas sagen. Tat sie aber nicht. Vor dem

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