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Rico, Oskar und die Tieferschatten

Rico, Oskar und die Tieferschatten

Titel: Rico, Oskar und die Tieferschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Rentner schneller die Zahlen auf ihren Kärtchen abhaken als ich. Spaß macht es mir aber trotzdem.
    »Frederico!«, sagte Mama streng. »Abmarsch!«
    Wenn sie meinen vollen Namen benutzt, wird es kritisch. Ich fragte mich, warum sie sich so hatte. Es wurde doch gerade erst richtig spannend zwischen ihr und dem Bühl, schließlich mussten die beiden noch Kaffee trinken und alles. Wer weiß, worüber sie dabei miteinander redeten, und womöglich sagte Mama genau das Falsche. Ich hätte ihr helfen können, denn ich wusste aus den Liebesfilmen von Frau Dahling genau, was man in so einem Gespräch alles sagen muss, damit es klappt, aber von meinem Zimmer aus ging das nicht. Ich würde also die ganze Unterhaltung verpassen, außer natürlich — »Und wenn du lauschst, versteigere ich dich bei eBay! Ich will deine Zimmertür hinter dir zufallen hören.«
    Mama schüttete dem Bühl endlich Kaffee ein. Der Bühl guckte mich an, hob beide Hände, zuckte die Achseln und zog eine witzige Miene. Von dem war keine Hilfe zu erwarten. Wahrscheinlich war er selber ganz scharf darauf, mit Mama allein zu sein.
    Mann, Mann, Mann!
    Ich zischte ab und knallte meine Zimmertür hinter mir zu. Mama kann das nicht leiden, aber das hatte sie jetzt davon. Zehn Minuten später hörte ich, wie der Bühl sich im Flur verabschiedete. Ich schlich an die Tür und lauschte. Danke für den Kaffee und so weiter, aber nichts von wegen, bis morgen Abend also, beim Bingo.
    So eine Pleite!
    Die Wohnungstür ging auf und wieder zu. Ich schoss sofort raus in den Flur, an Mama vorbei, die so viel Schnelligkeit von mir gar nicht gewohnt ist. Ich wollte dem Bühl unbedingt Tschüs sagen, das war ja wohl nicht verboten. Also die Wohnungstür wieder auf, und raus ins Treppenhaus und -Es war vermutlich der größte Auffahrunfall, den die Dieffe 93 je erlebt hat. Was für ein Gedrängel! Vor der Tür waren drei Männer ineinandergerannt, und weil ich nur den Bühl im Kopf gehabt hatte, musste ich mir die anderen beiden erst mal näher angucken. Der eine war der Marrak, der gerade die Treppen raufwollte, mit der gesammelten Post von gestern und heute in den Händen, oder wenigstens der Hälfte davon, denn der Rest lag über den Boden verteilt. Der andere war der Kiesling, der die Treppen runterwollte. Der Bühl war genau in dem Moment mit Schwung zu unserer Tür raus, als die zwei anderen sich auf dem Treppenabsatz getroffen hatten, und jetzt bildeten sie alle drei ein einziges Knäuel. Es klingelte und klirrte, während der Marrak versuchte seine Briefe einzusammeln. Er hat nämlich eine eigene Sicherheitsfirma und trägt deshalb immer einen dicken Schlüsselring am Hosenbund von seinem roten Arbeitsanzug. Auf den Anzug ist ein goldener kleiner Tresor draufgestickt. Sehr schick.
    Der Kiesling hielt sich mit einer Hand das Hemd zu und glotzte den schönen Bühl so begeistert an, als wollte er ihn auf der Stelle abknutschen - kann also genauso gut sein, dass er sich das Hemd eher aufreißen wollte. Der Bühl selber drehte sich hilflos in diese und jene Richtung, und alle murmelten durcheinander, Entschuldigung, hätte besser aufpassen müssen, so was aber auch, ist ja nicht so schlimm, war so in Eile, ist ja nichts passiert ... wem gehört denn das Kind?
    Da war nämlich noch etwas Kleines, das irgendwo im allgemeinen Gewühl beinahe untergegangen war. Jetzt musterte es alle drei Männer von oben bis unten, durch ein runtergeklapptes Visier. Dann rief es empört: »Wenn ich den Helm nicht aufhätte, wäre ich jetzt tot!«

    Mama war ziemlich platt, dass jemand mich besuchen kam. Sie beschwert sich immer darüber, dass ich keine Freunde habe. Jetzt hatte ich einen. Er war zwar sehr klein und bestimmt auch sehr jung, aber das spielte für Mama offenbar keine so große Rolle. Sie fand Oskars blauen Motorradhelm viel interessanter.
    »Seit wann trägt man solche Dinger beim Radfahren?«, sagte sie.
    Sie lehnte mit dem Hintern gegen den Küchenherd, ihre Kaffeetasse in den Händen, an der sie immer wieder nippte. Die Tasse vom Bühl stand einsam zwischen Oskar und mir auf dem Tisch, nur halb leer getrunken.
    »Ich hab kein Fahrrad«, sagte Oskar. Seine Stimme klang gedämpft, weil das Visier des Helms immer noch runtergeklappt war.
    »Na, ein Motorrad aber sicher auch nicht.«
    Oskar guckte sie an, als wäre sie nicht ganz richtig im Oberstübchen. Immerhin klappte er jetzt endlich das Visier hoch. Seinen Mund konnte man trotzdem nicht richtig sehen, nur die obere Reihe

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