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Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Riedripp: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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Nebenzimmer her verfolgten wir aufmerksam, was sich im großen Gastraum abspielte. Das Nebenzimmer war einst das Jagdzimmer. Cäcis Vater hatte diesen skurril anmutenden Raum speziell für seine Jägerfreunde und deren wöchentlichen Stammtisch hergerichtet. An den Wänden hingen fleischlose Schädel, vermutlich alle Säugetiere heimischer Wälder, die groß genug waren, um sie zu erschießen. Auf den Geweihen von Rehen und Hirschen saßen heimische Vögel. Im Zentrum dieser erstarrten Fauna bleckte der borstige Schädel eines Ebers, dessen überdimensionale Hauer aus dem Maul herausstanden. Präparierte Fische rundeten das abstruse Gesamtbild ab.
    »Gut, dass uns Frieda Plätze reserviert hat, so voll wie das heute ist«, meinte Butzi.
    Joe, Butzi, Flaschen-Gordon und Gesicht waren mit ihren Milwaukee-Eisen nach Riedhagen gedonnert, um die Neuigkeiten aus erstem Munde zu erfahren. Joe hieß eigentlich Josef, Butzi hatte seinen Spitznamen über seine Kindheit hinweg gerettet, Flaschen-Gordon trank sein Bier immer aus der Flasche und Gesicht konnte, wenn er etwas nicht verstand, äußerst dümmlich in die Welt schauen. Die vier bildeten unter meiner Präsidentschaft den harten Kern des Milwaukee-Iron-Kings-Eagle-Boys-Only-Street-Stammtisch, kurz auch MIKEBOSS-Stammtisch genannt, der ansonsten in Bad Saulgau, freitags im Bohnenstengel tagte. Unser gemeinsames Hobby war das Hegen und Pflegen alter und neuer Harley-Davidson-Motorräder. Einer samstäglichen oder sonntäglichen gemeinsamen Ausfahrt waren wir auch nicht abgeneigt, wenn die Umstände es erlaubten. Am ersten Novembersamstag wollten wir unser zwölfjähriges Bestehen groß feiern. Flaschen-Gordon hatte schon einen Slogan entworfen: Das dreckige Dutzend ist voll. Frieda, die Wirtin des Goldenen Ochsen, hatte versprochen zur Feier einen ihrer Räume zur Verfügung zu stellen.
    Gerade baute sie sich mächtig vor uns auf, für den heutigen Anlass hatte sie ihre weiße Servierschürze umgebunden. Ihr mächtiger Busen war von einer geblümten, bunten Seidenbluse umspannt, aus der Froschperspektive wirkte er noch bedrohlicher: ein Himmel, der herabstürzen könnte. Die resolute Wirtin des Ochsen stand auffordernd wippend vor uns:
    »Noch was am Tisch?«
    Ein kurzer Blick in die Runde, kumulatives Nicken. Frieda hatte den Kachelofen schon angeheizt. Ihre Devise war: Holz ist billiger als Bier, und wenns recht warm in der Wirtschaft ist, saufen die das Doppelte.
    »Noch sechs Helle.«
    »Meins bitte wieder aus der Flasche.«
    »Und ein Leitungswasser«, rief es hinter der üppigen Frieda.
    »Das hab ich mir gedacht«, murmelte die Wirtin und gab zum Tresen hin verschwindend einen angenehmen Blick frei.
    Es war Hilde, die Lama züchtende Grundschullehrerin. Sie sah mal wieder klasse aus. Cäci beobachtete mich, wie ich Hilde beobachtete, die mich beobachtete, wie ich auf Cäcis Beobachtung reagierte. Sie trug ein weißes, langärmliges, eng anliegendes Feinripp-Schiesser-Unterhemd, außer einer Jeans, in das das Schiesser gesteckt war, augenscheinlich nichts Weiteres – außer Ledersandalen. Offensichtlich hatte sie gerade ihre schicke Couch verlassen, um die wenigen Meter zum Goldenen Ochsen zu gehen. Die MIKEBOSSler waren sprachlos und jeder rutschte so, dass Hilde sich neben ihn setzen konnte. Da aber jeder rutschte außer mir, war plötzlich der Platz neben mir frei. Gesicht, der ewige Single, schaute, vorausahnend, wie es kommen würde, ratlos. Selbst Cäci konnte Schlimmeres nicht mehr verhindern. Ihr geplanter Rutschkonter kam zu spät. Hilde nutzte zum Entsetzen Cäcis die Gunst der Sekunde und setzte sich in die temporäre Lücke neben mich.
    »Darf ich mich neben dich setzen, Dani?«
    Sie gab mir einen kurzen Kuss auf die Wange. Das praktizierte sie ausschließlich in Anwesenheit Cäcis. Cäci verdrehte ihre Augen in Richtung der MIKEBOSSler, diese wiederum begutachteten die appetitliche, straffe Oberweite der dunkelhaarigen Lehrerin. Das Schiesser-Feinripphemd gab mehr preis, als es verbarg.
    Frieda hinterm Zapfhahn beobachtete die Szene argwöhnisch.
    Hilde klopfte besitzergreifend mit der Hand auf meinen Oberschenkel.
    »Na Dani, erzähl, wie war das beim Fränkel?«
    »Was machen deine Lamas? Machen die eigentlich einen Winterschlaf?«
    »Du Simpel, lenk nicht ab, erzähl!«
    Ich versuchte es auf eine Tour, die bei Hilde immer funktionierte:
    »Und Hilde, wie läufts in der Schule? Ist manchmal ganz schön hart, die anstrengenden Schüler, die vielen

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