Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
das merkt ihr erst, wenn ihr mal Kinder habt. Mein Paul-Josef hat die Leiche gefunden. Der ist gerade erst mal sechs. Das macht ihm keiner nach.«
Tränen der Rührung, vielleicht auch schon redestillierter Alkohol lief Hallingers blaugeäderte Wangen hinunter.
Jetzt lachte auch ich mit. Selbst der dunkle Pfarrer am Tresen zeigte die helle Pracht seiner Zähne, laut dröhnte sein kehliges Lachen. Er winkte uns zu und unterhielt sich dann mit Frieda, der feisten Wirtin.
Gottseilobunddank hatte Cäci die Schlankheitsgene ihres Vaters geerbt.
9 Schulgroll
Das Buch der Sprichwörter
28:15 Ein grollender Löwe, ein gieriger Bär – ein frevelhafter Herrscher über ein schwaches Volk.
28:16 Mancher Fürst ist klein an Verstand und groß als Unterdrücker; wer Ausbeutung hasst, hat ein langes Leben.
Frühstück ist das wichtigste -stück des Tages. Darum gibt es auch kein Mittagsstück, geschweige denn ein Abendstück. Daher stand ich immer schon gegen sechs Uhr auf, um alle Vorbereitungen für ein gesundes Frühstück treffen zu können. Der Anruf kurz vor sieben Uhr störte mich deshalb nicht sonderlich, es war Frau Stachelberg, die Sekretärin der Gewerblichen Schule Bad Saulgau:
»Können Sie den Herr Pischer vertreten? Der hat mal wieder Migräne. Sie kennen ja die Fotoklasse, zeigen Sie halt einen Film.«
Die Fototechnischen Assistenten warteten also in der ersten Stunde auf mich, und nicht auf ihren Mathematiklehrer, und sie rechneten damit, von mir im Fach Katholische Religionslehre unterwiesen zu werden.
Draußen wartete der Nebel auf mich, um mich mit meinem schwarzstarken Eisen bis nach Bad Saulgau zu begleiten.
Bald kam der Winter, und ich musste mir fahrtechnisch etwas überlegen. Mit dem Motorrad machte es keinen Sinn im Winter zu fahren. Doch das einzige Auto, das zu mir passen würde, ein Ford Thunderbird, Baujahr 1962 mit einem 6,4 Liter V8 Big-Block und 340 SAE-PS, mit vier Doppelvergasern und echten Speichenrädern, schluckte durch seine armdicken Benzinleitungen leider zu viel des fossilen Brennstoffes. Und diese kleinen smarten Autos, die man heute querparkenderweise in allen überfüllten Innenstädten sieht, kann ich nicht ausstehen, sie sind für einen Mann peinlich. Jedes Auto, das eine Frau süüüß findet, ist für einen Mann peinlich.
Der Nebel machte mich depressiv, und die Vorstellung, nie ein passendes Auto fahren zu können, machte mich einsam. Ich legte, bevor ich an die routinierte Vorbereitung meines Wellnessfrühstücks ging, passende Morgenmusik auf:
Iron Maiden rieten mir:
If you’re feeling down depressed and lonely
I know a place where we can go
22 Acacia Avenue
Meet a lady that I know.
Die Idee der Metal-Rocker war an und für sich recht gut, nur man weiß heutzutage auch nicht mehr so genau, was da in der Akazienstraße auf einen wartet. Alles ist unsicherer geworden.
Und so beschränkte ich mich darauf, meine morgendliche Herbstdepression mit einem gesunden, aber eiligen Frühstück zu vertreiben. Die Fotografen warteten.
Im Kühlschrank lachte schwarzweißkontrastig und fettfleckig die Blutwurst: Ein kräftiges Stück davon mit meinem japanischen Shun-Damast-Messer grob würfeln. Danach eine kleine weiße Zwiebel schälen und fein hacken. Knoblauchzehe feste mit dem Handballen drücken, Schale entfernen, ganz fein schneiden. Kurz in den nebligen Garten, strumpfsocks – Scheiße, nasse Füße – Schnittlauch abschneiden. Zurück in die Küche. Eisenpfanne – kein Teflon! – vom Haken an der Decke. Butter aus dem Kühlschrank. Daumendickes Stück abschneiden. Herd anschalten, Pfanne auf Platte, Butter in Pfanne. Schnittlauch fein schneiden. Zwiebeln andünsten. Nasse Socken kurz wechseln. Hitze hochfahren. Blutwurstwürfel anbraten, Knoblauch dazu geben. Zwei Eier aus dem Kühlschrank. Aufschlagen, mit Gabel verquirlen. In die Pfanne leeren. Rühren. Nicht fest werden lassen. Salzen. Pfeffern. Schnittlauch drüber.
Bon appétit, da würde sogar Paul Bocuse, der Faltenmelancholiker lachen. Wellness kann auch schmecken! Ich war gestärkt für die Vertretungsstunde bei den Fotografen.
Die Fahrt durch den Nebel zu Wochenbeginn nach Bad Saulgau war anstrengend. Ständig beschlug das Visier durch meinen Atem von innen, außen tat der Nebel heute sein Bestes, mir Milliarden von winzigen Tröpfchen auf die Außenseite des Visiers zu senden und somit die lebensnotwendige Sicht auf ein Minimum zu beschränken. Der linke, lederbehandschuhte
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